Beschreibung |
(kombinierbar mit dem Studienprojekt Rassismus in Weimar, Frank Eckhardt und Nico Goez)
Wer was, wie und in welcher (medialen) Form erinnert ist hochpolitisch: So wurde die Repräsentation von Geschichte(n) und Erinnerung im öffentlichen Raum in den letzten Jahren besonders durch rassismuskritische, dekoloniale, queere und andere Graswurzelinitiativen umfassend problematisiert. Denkmalstürze und Anträge auf Straßenumbenennungen haben eine breitere Öffentlichkeit erreicht. An anderen Stellen waren es zum Beispiel Guerilla-Kunstaktionen, die etablierte Formen der Erinnerungskultur herausfordern konnten. Neu sind die Aushandlungsprozesse um geschichtspolitische Repräsentation nicht. Erinnern hat eine zentrale Funktion für Gesellschaften und ist daher immer umkämpft. Im Weimarer Stadtraum finden sich Spuren von Jahrzehnten der Überschreibungen und Aufladungen von Geschichtlichkeit und Erinnerung. Das Anti-Denkmal „Zermahlene Geschichte” (2002) des Künstlerduos Horst Hoheisel und Andreas Knitz ist ein Beispiel der Herausforderung etablierter Formen der Erinnerung. Die Aufstellung des Sockels des Carl-Alexander-Standbildes auf dem Goetheplatz (2006) berührt Fragen nach der Geschichtskonstruktion in der Weimarer Innenstadt seit der NS-Zeit. Die geplante künstlerische Bespielung des Sockels findet heute allerdings nicht mehr statt. Der Umgang mit der Freifläche des ehemaligen Gauforums provoziert bis heute Unsicherheiten. Seine Umbenennung in Jorge-Semprùn-Platz im Jahr 2017 stellte einen ersten Schritt weg von der Depolitisierung dar, für die der Name Weimarplatz seit 1990 exemplarisch steht. Daneben existieren zahlreiche temporäre und/oder virtuelle Darstellungen zur Stadtgeschichte an öffentlichen Orten, die sich mit der älteren und jüngeren Geschichte der Stadt auseinandersetzen.
Das Bauhaus.Modul Counter Memory setzt an den Grenzen der offiziellen Erinnerungspolitik an. Es möchte ein Verständnis dafür schaffen, wie Stadt als Medium für Gegen/Erinnerung und damit auch Subjektivität, Sozialität und Kollektivität fungiert. Wie kann eine sich transformierende Gesellschaft auch plurale, heterogene Erinnerungsmöglichkeiten zulassen, anstatt sich national und einheitlich zu inszenieren? Wir wollen so nach den Möglichkeiten der Diversifizierung von Geschichtserzählung und den Medien der Erinnerung im Stadtraum fragen. Welche Themen bieten sich für eine Gegenerinnerung in Weimar an? Welche Erinnerungsorte hinterließ zum Beispiel das Ende der DDR? Wo haben sich die Spuren der Geschichte von Gewalt durch Neo-Nazis eingeschrieben, wo sind sie verschwunden? Wie schreibt sich Kolonialgeschichte in der Stadtraum ein? In welchem Verhältnis stehen die Angriffe etwa auf Hanaugedenken und Stolpersteine mit offizieller Erinnerungskultur der letzten Monate? Wir wollen diskutieren, welche Formate eine multidimensionale, prozessuale und diverse Erinnerungskultur benötigt und auch selbst welche entwickeln – seien es virtuelle, künstlerische und informative Erinnerungsmedien.
Das Seminar richtet sich an Studierende aller Fakultäten der Bauhaus-Universität. Ergebnisse können praktischer, künstlerischer oder theoretischer Art sein. So kann z. B. ein alternativer Stadtrundgang, audio walk oder eine künstlerische Intervention entstehen. Auch eine schriftliche Beteiligung am Projekt decolonize Weimar! kann Prüfungsleistung sein. Das Seminar kann wahlweise mit 3 oder mit 6 ECTS belegt werden. Die Abgabeleistung wird entsprechend vereinbart. |