90 Prozent unserer Zeit, so Evans & McCoy (1998)[1], verbringen wir in Architektur und den Rest unserer Zeit in ihrer unmittelbaren Umgebung. Architektur beeinflusst unser Erleben und Verhalten wie kaum ein anderer Umweltfaktor. Um diesen Einfluss zu verstehen, müssen wir uns mit unserer Wahrnehmung auseinandersetzen. Denn die Wahrnehmung ist die Grundlage jeder Mensch-Umwelt-Interaktion.
Ziel dieses Seminars ist es, die Erkenntnisse der Architekturwahrnehmung abzubilden und daraus Folgerungen abzuleiten:
- Der Mensch als Wahrnehmender hat Ansprüche an die Architektur, die nachvollzogen und umgesetzt werden können. So wird belegbar und begründbar, was eine für Menschen geeignete Architektur ausmacht - über alle individuellen Präferenzen hinweg.
- Kenntnisse der Architekturwahrnehmung sind Voraussetzung für jede Kommunikation über und durch Architektur, für jeden Diskurs und für jede Vermittlung.
- Jede bewusste Wahrnehmung unserer Umwelt ist zugleich auch Selbstbegegnung, denn im Spiegel unserer eigenen individuellen Wahrnehmung erkennen wir uns selbst. In diesem Sinn schreibt William James, Psychologe und Philosoph: “Durch die Art, wie er <gemeint ist der Mensch> den Dingen Aufmerksamkeit schenkt, trifft jeder von uns im wörtlichen Sinn eine Wahl, welcher Art Welt es sein soll, in der er leben will.“[2]
Deshalb werden alle Inhalte des Seminars nicht nur theoretisch vermittelt, sondern auch praktisch erfahren und gemeinsam reflektiert. Zusätzlich kann in diesem Semester jeder/jede Teilnehmende eine kleine Studie oder ein kleines Experiment zur Thematik durchführen, die methodisch begleitet und gegen Ende des Semesters in der Gruppe vorgestellt werden.
[1] Die Zahl stammt aus einer Studie von Evans, G.W. & McCoy, J.M. mit dem Titel: When buildings don´t work: The role of architecture in human health; In: Journal of Environmental Psychology, vol. 18 (1), 1998; pp. 85–94; p. 85.
[2] Zitiert nach Crary, Jonathan: Aufmerksamkeit. Wahrnehmung und moderne Kultur, Frankfurt am Main, 2002; (Suspensions of Perception. Attention, Spectacle and Modern Culture; 1999); S. 57). |