Beschreibung |
In den beiden eng aufeinander abgestimmten LVs des Studienmoduls Decolonize Weimar erarbeiten wir einen Stadtrundgang, der Spuren kolonialen Wirkens lokal sichtbar macht. Die deutsche Kolonialgeschichte wurde lange aufgrund ihrer verhältnismäßigen Kürze in der öffentlichen Wahrnehmung und Schuldbildung vernachlässigt – dabei war das deutsche Kolonialreich zwischenzeitlich flächenmäßig das drittgrößte der Welt. Durch die Klage der Herero und Nama aus Namibia wegen des an ihnen begangenen Völkermord (1904-1908) sowie aufgrund Debatten um Restitution von Museumsobjekten hat sich dies in den letzten Jahren verändert und es ist eine breitere gesellschaftliche Debatte entstanden. Nicht nur in Hafenstädten wie Hamburg oder in großen Museumsprojekten wie dem Humboldtforum in Berlin lassen sich Kolonialspuren nachweisen. Viele Orte sind auch heute noch unausgewiesene Verkörperungen des kolonialen Projektes, dass sich in die städtischen Strukturen eingeschrieben hat. Welche Denkmäler, Straßennamen und Orte verweisen auf Kolonialbegeisterung und Kolonialstreben in Weimar? Welche Weimarer Akteur*innen – etwa Großherzog Carl Alexander von Weimar-Sachsen-Eisenach – waren aktive Unterstützer der deutschen Kolonialbewegung? Diese lokalen Perspektiven sollen mit dem globalen Projekt des Kolonialismus, seinen weltanschaulichen und historischen Grundlagen verzahnt betrachtet werden. Dazu erarbeiten wir uns theoretische Perspektiven auf Kolonialismus, Postkolonialismus und Dekolonisierung durch Lektüren und die Diskussion von Filmen. Ziel ist es, heutige gesellschaftliche Ausschlüsse, Fluchtbewegungen und strukturelle Gewalt mit dem weltanschaulichen Projekt zu Kolonialismus zu verbinden und dies in den Stadtrundgang einzutragen. Es soll so auch eine Sensibilisierung für aktuelle Rassismen erfolgen. Rassismus ist eine Grundlage von Kolonialismus; durch ihn wurde ein System der Ungleichheit entwickelt, gerechtfertigt und stabilisiert. Wie können wir heute antirassistische Perspektiven mit historischen Erinnerungsorten verbinden, um so einer Normalisierung kolonialer Orte bzw. der Amnesie deutscher Kolonialherrschaft entgegen zu wirken? Wie können wir ein Gegengedächtnis in der Stadt sichtbar machen? Welche Konzept kann es dafür geben, Stadt anders zu begehen – im wahrsten Sinne des Wortes. Der Stadtrundgang soll neue Perspektiven auf Stadt und eine aktive öffentliche Auseinandersetzung mit der anhaltenden Kontinuität kolonialen Gedankenguts ermöglichen. Vorbild dafür sind dekoloniale Stadtrundgänge in Berlin, Erfurt und Jena (https://decolonizeerfurt.wordpress.com). Welche Ästhetiken und Medien können heute nicht nur ein Gedenken an Opfer der brutalen Kolonialherrschaft an einzelnen Orten ermöglichen, sondern auch die Stadt als komplex vernetztes Archiv verschiedener historischer Bewegungen sichtbar machen? Denkbar sind hier die Entwicklung eines Audioguides, ein gemeinsam verantworteter Dokumentarfilm, eine Ausstellung oder eine Kombination dieser und weiterer verschiedener Medienformen und Formate der diskursiven und/oder künstlerischen Intervention. Die Lehrveranstaltung ist explizit für Studierende aller Fakultäten geöffnet und möchte diskursive Formate mit kreativen und medialen Formaten verschränken. Das Thema kann stadtplanerisch, architekturhistorisch und- theoretisch, medienwissenschaftlich, künstlerisch, gestalterisch, ingenieurswissenschaftlich, historisch etc. adressiert und bearbeitet werden. In interdisziplinären Gruppenarbeiten werden Recherchen in Archiven und Bibliotheken durchgeführt, die dann in ein gemeinsam erarbeitetes mediales Konzept umgesetzt werden. |