Beschreibung |
Bertolt Brecht ist seit den großen Ehrungen anlässlich seines 100. Geburtstags 1998 von einem häufig missverstandenen, aber öffentlich präsenten und auch noch kontrovers diskutierten "Klassiker" zu einem im deutschsprachigen Raum fast gespenstisch Abwesenden geworden, zu einem Autor, dessen Stücke zwar noch im Repertoire einiger Stadt- und Staatstheater zu finden sind, auch da und dort als Schullektüre präsent sind, dessen weit verzweigtes und vielschichtiges, mit allen Medien und Ausdrucksformen experimentierendes Werk aber zunehmend zur Sache einzelner Kenner_innen und Spezialist_innen wurde. Dass Brecht nicht seinem Klischee eines "Besserwissers und Moralisten" entspricht, ist selbst schon fast ein Gemeinplatz. Nicht nur deshalb lohnt die intensive Lektüre gerade derjenigen Texte Brechts, die als hyperdidaktisch und ideologisch verschrieen sind, etwa seiner Lehrstücke, vor allem dann, wenn man zu verstehen versucht, wie Brecht mit diesen Stücken und seinen (Laien-)Schauspieler_innen arbeiten wollte. Brechts Arbeiten, gleich welches Medium sie gebrauchen, ob Theaterproduktion, Ballade, Einakter, Radiostück, Film, Gedicht, publizistischer Text, Tagebuchnotiz oder theoretische Abhandlung, sind immer DENKENDE Arbeiten, und zwar in Inhalt UND Form und es sind Arbeiten, die diesen Denkprozess bewusst ausstellen, an ihm teilhaben lassen wollen und ihn dem Publikum zur Fortsetzung anbieten. Folgen wir diesem Denken quer durch alle künstlerischen Ausdrucksformen und Genres, so zeigt sich - wie Hans-Thies Lehmann es formuliert - eine "idée fixe", die das Werk durchzieht: "das Wasser, das fließt, die permanente Veränderung, der Wechsel der Dinge". Nichts was ist, muss so bleiben. Und diese Aussage birgt die Verantwortung für eine radikale und "fröhliche" Kritik an den herrschenden Verhältnissen, die immer auch einen Teil (strategischen) Einverständnisses in sich trägt. In Brechts Betonung eines permanenten Werdens und seinem Faible für instabile Subjektivitäten (inklusive sich selbst) liegt ein überraschendes Naheverhältnis zum Denken von Gilles Deleuze, das deren Kopplung in diesem Studienmodul angeregt hat. |