Da Michel Foucaults Arbeiten zu Technologien des Selbst, Selbstsorge und Ästhetik der Existenz weitestgehend auf die Antike und das frühe Christentum beschränkt geblieben sind, eröffnet sich hier ein Anknüpfungspunkt zum Weiterdenken: Im Seminar Technologien des Selbst in der digitalen Kultur sollen die Studierenden Foucaults Analysen für unsere heutige vernetzte Gesellschaft aktualisieren und fortführen, indem sie sich in kleinen,selbstgewählten Projekten mit konkreten zeitgenössischen Technologien des Selbst auseinandersetzen.
Die gegenwärtige Kultur – insbesondere im Rahmen von Web 2.0 und Social Web – kennt eine Vielzahl von Formen der Arbeit an sich selbst, Techniken der Selbsterkenntnis wie der Selbstoptimierung, Übungen, Trainings und Coachings: Die plastische Chirurgie erbietet sich, die Bevölkerung zu verschönern; im Erfurter Tatort (und anderswo) wird ein Studentenmilieu gezeichnet, in dem leistungssteigernde Pillen zu den gängigen Hilfsmitteln im Studium gehören; Apps errechnen Nikotinabstinenzlern, wie viel Geld sie schon gespart haben; Ratgeberliteratur und Autosuggestions-CDs füllen Wohnzimmer- und Büroregale; Portfolios sind der letzte Schrei in Pädagogik und Personalbüros; User geben sich umfassend in sozialen Netzwerken preis, Blogger bloggen über Diät- und Shoppingstrategien oder eben übers Bloggen selbst und die Jünger des Quantified Self versprechen sich von der Umrechnung ihres Selbst in Zahlen den ultimativen Produktivitätskick. Diese Beispiele zeigen, wie eng die Arbeit an sich selbst mit bestimmten Medien, Technologien und Interfaces verknüpft ist und dass sich die Individuen gerade in der Verschaltung mit ihren Gadgets und der permanenten sozialen und technischen Sichtbarkeit im Netz in einer äußerst komplexen Machtstruktur wiederfinden.
Im Seminar sollen sowohl die konkreten Beispiele als auch die jeweiligen Fragestellungen und Analyseziele gemeinsam entwickelt werden; in regelmäßigen Feedbackrunden können sich die Teilnehmer gegenseitig Anregungen und Kritik geben, bevor am Semesterende eine abschließende Kurzpräsentation der Projekte stattfindet.
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