Beschreibung |
Mit dem Aufstieg der Medienwissenschaft ist seit Jahren ein Paradigmenwechsel auf unterschiedlichen ästhetischen und epistemologischen Ebenen geisteswissenschaftlicher Interventionen verbunden, der auch die philosophische Frage nach dem Menschen und einer Anthropologie neu herausfordert, die bereits eine anthropozentrismuskritische ist. Die Verschiebung der Stellung des Menschen im Kosmos weg aus dem Zentrum an dessen unbestimmte Peripherie ist längst common sense und keiner (weiteren) anthropologischen Kränkung mehr fähig.
Entsprechend gelten Werkzeuge, technische Apparaturen, Dispositive der Wahrnehmung, Bild- und andere Kunstwerke, religiöse Objekte und zahlreiche Artefakte bis hin zu Fiktionen aus medienwissenschaftlicher Sicht nie als bloße Instrumente eines unabhängig und souverän zu denkenden Menschen. In ihrer Materialität und Funktionalität, so belegen es unterschiedlichste medienhistorische wie -philosophische Analysen seit Jahren, wirken mediale Umwelten und Bedingungen von sich aus, ohne dass ihre wirklichkeitskonstituierenden Effekte steuerbar oder intentional begründbar wären. Von den technisch-medialen Logiken und Kräften hängen auch die diversen Vollzugsmodi des Menschlichen ab, die sich außer in Wahrnehmungs- und Verhaltensformen auch in Konzepten vom Menschen niederschlagen. Mit dem Anliegen, das anthropogene Potenzial von Projektionen und Praktiken zu beleuchten, zielt die Tagung auf eine kritische Auslotung einer noch zu entwerfenden medialen Anthropologie, die sich nicht mit Analysen des Gebrauchs beispielsweise von Massenmedien durch Menschen im Kulturvergleich zufriedengibt. Leitend ist es vielmehr auch umgekehrt die Funktionalität des Menschen im Rahmen medialer Anordnungen mit zu bedenken; oder gar die wechselseitigen Projizierbarkeiten von Mensch und Medien als grundlegende anthropogene Relation zu begreifen.
Medien sind jedoch Mitwirkende, nicht aber Machwerke und Werkzeuge des Menschen, auch keine einfachen Auslagerungen und Verlängerungen, wenn nicht mindestens auch das Umgekehrte gilt. Sie können anthropologisch nicht als willenlose neutrale Requisiten menschlicher Praxis, Gesellschaft und Geschichte adressiert werden, als Verlängerungen oder Optimierungen eines immer schon zentral gestellten, vorfindlichen Menschenwesens, das seine Eigenschaften und Aufträge immer schon selbst mitgebracht hätte. Eine medienwissenschaftlich informierte Anthropologie verschiebt daher die philosophische Frage nach dem Menschen von diesem Menschen selbst auf die Relationen zwischen dem Menschen und den Medien innerhalb eigenmächtiger Felder. Und da diese Relationen außerhalb materieller Praxis nicht anzutreffen sind, nimmt sie die Operationen, die Mensch und Medium in vielfältiger Weise koppeln, in den Blick.
Diese Einsicht führt aber nicht – oder nicht mehr – zur schlichten Ablehnung anthropologischer Positionen und Reflexionen. Im Gegenteil: Die Frage nach dem Menschen wird im Rahmen des medienwissenschaftlichen Paradigmas komplizierter denn je. Dabei geht es nicht nur um isolierbare und dann erneut zentrale „Anthropotechniken“, etwa speziell auf die wissenschaftliche oder verwalterische Bestimmung des Menschen abzielende Meß-, Berechnungs- oder Projektionsverfahren. Medien sind vielfältig in die anthropische Praxis eingelassen und keineswegs nur speziell als anthropologische Forschungs- und Ordnungsinstrumente relevant. |