Beschreibung |
Der Thüringer Wald blickt auf eine lange Tourismusgeschichte zurück, deren Ursprünge bis weit ins 19. Jh. zurückreichen. Ehemals verschlafene Walddörfer wurden ausgebaut zu Kurorten, andere wurden für den Wintersport entdeckt. Mit dem Tourismus einher ging (bzw. Voraussetzung für diesen war) in der Regel ein umfangreicher verkehrlicher wie städtebaulicher Ausbau, um die neue Nutzergruppe mit Hotels, Pensionen und Gasthäusern sowie weiteren Kur- und Vergnügungseinrichtungen zu versorgen. Mit der Entprivilegisierung des Reisens nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele der etablierten Tourismusorte einer neuen Zielgruppe, den „Werktätigen“ geöffnet. Durch den Feriendienst des FDGB, Betriebe und Kombinate wurden zu DDR-Zeiten umfangreiche Erholungskomplexe geschaffen, die den städtebaulichen und architektonischen Maßstab der kleinstädtischen Ortschaften im Thüringer Wald nachhaltig veränderten und bis heute prägen: – mancherorts überformt durch Um- und Weiterbau für durch zeitgemäße touristische Angebote, anderenorts lediglich noch als Überbleibsel aus einer längst verklungenen Zeit des Booms, denn mit der politischen Wende versiegte auch der zuverlässige Strom der von Gewerkschaften und Betrieben zugewiesenen Urlauber:innen. Neben der marktwirtschaftlich bedingten starken Konkurrenz sieht sich der Tourismus im Thüringer Wald heute konfrontiert mit neuen Herausforderungen, allen voran dem Klimawandel, der die Waldsubstanz genauso wie die Schneesicherheit und somit zentrale Faktoren der touristischen Attraktivität als Ferienregion bedroht.
In diesem Studienprojekt der Professur Denkmalpflege & Baugeschichte möchten wir Ursachen und Auswirkungen der touristischen Entwicklung auf Stadt- und Regionalentwicklung im Thüringer Wald im Kontext der Auseinandersetzung um Denkmalpflege und Nachkriegsmoderne sowie der räumlichen Tourismusforschung betrachten. Anhand von vier Orten, die jeweils eigene touristische Prägungen und Probleme aufweisen, fokussieren wir uns auf (stadt)baugeschichtliche Aspekte sowie Fragen des Umgangs mit dem materiellen und immateriellen Erbe des Tourismus. Untersucht wird, wie sich die Ferienorte entwickelt haben und welchen Einfluss die jeweilige Geschichte, aber auch der Städtebau und die Architektur auf die Wahrnehmung und somit auch die Nachfrage der Orte haben. Wie gehen die Kommunen mit ihrer eigenen Geschichte und den stetig wechselnden Anforderungen touristischer Nachfrage? Wie stehen sie zum eigenen baulichen Erbe, insbesondere der DDR-Zeit? Wo sieht man Rückbau- und wo Entwicklungsbedarf? Wie kann und muss die Entwicklung in städtebaulicher, aber auch architektonischer Hinsicht gesteuert werden? Und inwiefern werden auch die Bedürfnisse der Bewohner der Orte berücksichtigt? Wie kann räumliche Entwicklung trotz der Abhängigkeit vom Tourismus den Ansprüchen lokaler Bevölkerung gerecht und dauerhaft funktionsfähig gestaltet werden? |