Wohnungsbau dient üblicherweise vor allem dazu, das menschliche Grundbedürfnis nach Wohnen zu befriedigen, wird nicht selten vor allem genutzt, um Rendite zu erwirtschaften und prägt wesentlich die Gestalt unserer Städte. Gerade im (historischen) Bestand sind Wohngebäude und -siedlungen mitunter auch bedeutende Zeugnisse historischer wohnungspolitischer Ideen und Konzepte, die durch den Denkmalstatus geschützt werden.
Was aber bedeutet es, wenn die gegenwärtigen Anforderungen an das Wohnen überlagert werden durch den Denkmalschutz? Wie verändert es das Wohnen und wie gehen Bewohner:innen, Eigentümer:innen und planende Akteur:innen mit dem „Wohnungsbau als Denkmal“ um?
Ausgehend von diesen Fragen blickt das Planungsprojekt in die Stadt Halle (Saale), die eine vielfältige Landschaft sehr unterschiedlicher Wohndenkmäler aufzuweisen hat. Neben revitalisierten und privatwirtschaftlich vermieteten Industrielofts finden sich gründerzeitliche Stadterweiterungsgebiete mit Aufwertungstendenzen, genossenschaftliche Wohnsiedlungen aus den 1920er und 1930er Jahren ebenso wie Geschosswohnungsbauten des industrialisierten Bauens in der DDR. Diese Auflistung verdeutlicht die bautypologische, historische und auch eigentumsrechtliche Varianz und zeigt, dass Wohndenkmal keineswegs gleich Wohndenkmal ist.
Gleichzeitig zeigen sich in Halle die Folgen der umfassenden Transformation von Gesellschaft und Wohnungsversorgung seit 1990, die die Entwicklung und Nutzung all dieser denkmalgeschützten Wohngebäude prägen: der Wohnungsmarkt hat in den letzten 30 Jahren mehrere Phasen der Privatisierung und Instandsetzung durchlaufen; Arbeitsmarkt und Sozialstruktur sind von De- und Reindustrialisierung, niedrigen Durchschnittseinkommen sowie einer Spreizung der Bevölkerung geprägt und nach einer langen Phase des Bevölkerungsrückgangs wächst diese nun wieder langsam. Nutzung, Erhalt und Weiterentwicklung dieser bautypologisch vielfältigen Wohndenkmallandschaft kann also nicht betrachtet werden, ohne die sehr spezifischen Herausforderungen der Wohnungsversorgung und Stadtentwicklung im ostdeutschen Transformationsprozess der letzten 30 Jahre zu verstehen.
Vor diesem Hintergrund widmet sich das Projekt am Beispiel der Stadt Halle mehreren Fragen: Wie lässt sich eine Wohndenkmallandschaft einer Stadt definieren und wie steht diese zu den Herausforderungen des transformierten ostdeutschen Wohnungsmarkts? Vor welchen Chancen und Herausforderungen stehen diese Wohngebäude vor dem Hintergrund der aktuellen Wohnungsfrage(n)? Welche Akteure und Instrumente steuern denkmalpflegerische Prozesse am Wohndenkmal, welche fehlen angesichts der Herausforderungen von Klimawandel und einer pluralisierten Gesellschaft? Welche Perspektive haben die Bewohnerinnen und Bewohner selbst auf ihre Wohndenkmäler?
Das Planungsprojekt ist angebunden an das DFG-Forschungsprojekt „Wohnen im Denkmal“, in dessen Rahmen vom 28. bis 30. November 2024 eine englischsprachige Konferenz an der TU Wien stattfinden wird. Eine Teilnahme an der Konferenz in Wien ist erwünscht und im Sitzungsplan integriert, Mittel zur Übernahme eines Großteils der Reisekosten für die Projektbeteiligten sind genehmigt. |