Beschreibung |
»Und der Parasit erscheint. Er ist bei einem Wirte geladen oder nicht. Das Gasthaus, das Haus des Herrn, steht dem durchfrorenen Wanderer offen […]. Das Private fällt für eine gewisse Zeit in den öffentlichen Bereich und das Eigene des Wirtes in das Gemeine, das vorübergeht. Dank dieser Offenheit kommt der Parasit herein. In direktem Zugriff sucht er sich dies zeitweilig Gemeine anzueignen. In diesem Falle und zu diesem Zwecke redet er. Doch ist das nicht einmal notwendig, er gibt Töne von sich. Er macht Lärm, wie die knabbernden Ratten. Er produziert Gifte, Entzündungen, Fieber. Kurz, er erregt die Umgebung. Er erregt thermisch und bringt Lärm oder Fieber hervor. Er greift in die Netze ein, unterbricht die Nachrichten, schmarotzt an den Übertragungen. […]. Das Phänomen der Ausbreitung ist sein eigentliches, eigentümliches Geschäft. Seine Aneignung.«
Michel Serres’ »Der Parasit« (Paris, 1980) entwirft mit seiner titelgebenden Figur eine »Theorie der Relationen«, die nicht vom reibungslosen Austausch zwischen Subjekt und Objekt, Sender und Empfänger, Wirt und Gast ausgeht, sondern von der Störung dieser Beziehung, dem Rauschen im Kanal, der Funktion eines Dritten, der dieser Beziehung immer schon schmarotzerhaft aufsitzt. Mehr noch: Der Parasit geht der Beziehung, jeder Beziehung zwischen einem Ersten und einem Zweiten voraus, sei sie biologisch, sozial oder technisch vermittelt. Der Dritte ist gar »das Sein der Relation.« Damit ist nicht nur eine fundamentale Kritik an solchen Kommunikationstheorien, Philosophien und Ökonomien formuliert, denen je Logiken symmetrischer, störfreier und ursprünglicher Übertragung zugrunde liegen. Es ist auch eine Medientheorie impliziert, die Kanäle und deren Materialität zu adressieren erlaubt.
Grund genug, dem »Parasiten« ein medienwissenschaftliches Seminar zu widmen. Erklärtes Ziel ist, das gesamte Buch im Lauf des Semesters in gemeinsamen Lektüren durchzuarbeiten. Erhöhte Lesebereitschaft (eines durchaus anspruchsvollen Textes) ist damit genauso Grundvoraussetzung zur Teilnahme wie die Bereitschaft zur Übernahme eines Referats oder zum Verfassen von Reading Responses. |