Beschreibung |
Ausgerechnet die mittelalterliche Kathedrale ist dem Bauhaus Vorbild und Metapher für Kunst und Gestaltung der Moderne: In einer neuen Bauhütte sollen sich Handwerker und Künstler vereinigen, wie sich in der Kathedrale einst alle Stände und Schichten zum Gottesdienst versammelten. Das Mittelalter als Blaupause für die Moderne?
Die Faszination für die Kathedrale und ihre Zeit hat eine lange Geschichte: Seit dem frühen 19. Jahrhundert entsteht eine vielfältige Mittelalterrezeption, die bis heute nicht abgerissen ist. Die Romantiker malen Bilder und erzählen Geschichte von edlen Rittern, Gauklern, Bauern, Burgen und schönen Fräuleins. Die Expressionisten lassen sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts von den ausdruckstarken Formen der mittelalterlichen Kunst inspirieren. Bilderbücher und Kinderzimmer werden von Burgen und Rittern bevölkert. Die großen Stoffe um Artus, Lancelot, den "Glöckner von Notre Dame" usw. werden verfilmt. In unserer Gegenwart findet man Mittelalter überall: in Mittelaltermärkten, in der Serie "Game of Thrones", in Romanen von Umberto Eco, Ken Follet, in Computerspielen, aber auch große Landessausstellungen und Geschichtsschreibung bezeugen eine Konjunktur einer Faszination der Zeit der Kathedralen. Was stellt für all diese Bereiche eine so starke Faszinationskraft einer historischen Epoche und Kultur dar, die im Kirchenbau, insbesondere in Dom und Kathedrale ihre emblematische Ausdrucksform findet?
Im Seminar wollen wir uns einigen Facetten der Form und Zeit der Kathedrale nähern erproben. Die Kathedrale ist uns dabei Ausgangspunkt und Zentrum: Wir studieren die Dome in Naumburg und Erfurt vor Ort und die großen Kathedralen Frankreichs in Bildern und Büchern. Wir schauen uns Romane und Filme an und die Rezeption der Kathedrale in der Kunst- und Kulturgeschichte. Wir erkunden auch die historische Umgebung der Kathedrale: die Buchkultur, die Bildwelten des 12. und 13. Jahrhunderts. Wir studieren die romantischen Projektionen des 19. und die populären, auch die kommerziellen Imaginationen des 20. Jahrhunderts. So wird die Kathedrale sichtbar als ein vielschichtiges, reiches und überaus widersprüchliches Phänomen, das auch historisch viele unterschiedliche Funktionen, Erscheinungsbilder, Formen und Medienumgebungen besitzt. |
Leistungsnachweis |
Bearbeitung aller im Seminar gestellten Aufgaben, Hausarbeit, Teilnahme an den Exkursionen nach Naumburg, Erfurt und evtl. andere Orte, sowie an den Filmterminen im Lichthaus. |