Beschreibung |
Mit COVID-19 trifft eine Krise der Gesundheit auf Krisen von Vertrauen, Klima, Finanzen ... Für das Kunstsystem zeigten sie sich zunächst als eine Krise der Begegnung und mit ihr der Präsenz. Was zunächst als Kennzeichen pandemischer Verhältnisse diagnostiziert wurde oder sogar dazu verführte, post-pandemisch dystopische Lagebeschreibungen zu prognostizieren, stellte sich bald als das Dispositiv heraus, in dem sich das Kunstsystem nicht erst seit, mit oder durch SARS-CoV-2 aufhält. Denn, so lautet die grundlegende These des Forschungsseminars: "Wir sind schon längst pandemisch gewesen."
Konzeptionelle und institutionelle Probleme – und dazu zählen u. a. repräsentative, administratorische, ethische, kulturpolitische und ökonomische Schieflagen innerhalb des Kunstsystems – sind nicht neu, sie sind nun sichtbar(er), deutlich(er) und öffentlich(er) (geworden). Nun können sie nicht mehr nicht gesehen und auch nicht mehr nicht gewusst werden.
Wir wollen unsere Forschungen systematisch an kunsthistorisch plausibilisierten Ordnungsfiguren wie „Genie“, „Intention“, „Werk“, „Original“, „Aura“, „Präsenz“, „das Publikum“, „Autonomie" etc. und an dem methodischen Einsatz einer linearen Chronologie, einer starken Kausalität und einer Komplexitätsreduzierung ansetzen, die nicht erst mit COVID-19 zur Diskussion stehen. Vielmehr verursachen sie, so lautet die Hypothese, eher die Probleme, mit denen wir aktuell zu tun haben und von denen wir annehmen, dass sie sich post-pandemisch verabschieden würden. Die pandemische Lage soll uns dazu dienen, in Form von Re- und Pre-Enactments prä-pandemische und pandemische Verhältnisse neu zu erzählen, neue Geschichts- und Theoriehorizonte aufzuspannen und post-pandemische Handlungsmöglichkeiten zu konzipieren. |