Beschreibung |
Der Himmel. Welches Gefühl war das, als ich ihn auf mich niedersinken ließ, den gelbgrauen giftigen Nebel in mein Bewußtsein aufnahm, die hochgemauerten Öffnungen abzählte, aus denen er zusammenfl0ß, um dann wie ein Dach über der Stadt zu hängen? (Monika Maron, 1981).
Welche Spuren des gelb-grauen Smogs aus Marons kontroverser Kritik an der Umweltzerstörung und deren gesundheitliche Konsquenzen in der ehemaligen DDR sind vierzig Jahre später noch spürbar? Trotz state-of-the-art sanierungsmaßnahmen zur Aufarbeitung der Altlasten in der ehemaligen ostdeutschen Stadt Bitterfeld-Wolfen sind die toxischen Hinterlassenschaften der Braunkohleförderung und der Chemie-/Filmproduktion nach wie vor integraler Bestandteil der materiellen Realität und des soziokulturellen Gefüges der Stadt. So ist beispielsweise der dicke gelbe Smog aus der Braunkohleverbrennung, der die Stadt einst einhüllte, nicht mehr sichtbar. Doch die giftigen Rückstände der Flugasche sind nicht wirklich verschwunden. Sie haben sich lediglich umgewandelt, sich in den Böden festgesetzt, sind durch Grundwasserströme in die nähere und weitere Umgebung verlagert und zusammen mit anderen schädlichen chemischen Rückständen aus der Filmindustrie in das Zellgewebe dort wachsenden Pflanzen absorbiert worden.
Dieses Fachmodul untersucht die Prozesse und Möglichkeiten des Phyto-Mining in den Sanierungswissenschaften und kunsthistorische Perspektiven der Bild(re)produktion als Techniken, um die anhaltende Gewalt gegen menschliche und mehr-als-menschliche Gemeinschaften, die in Umgebungen mit chronischer Toxizität leben, sichtbar zu machen. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftler:innen der TU Dresden und Kunsthistoriker:innen und Studierenden der Burg Halle werden wir Spuren des Anthropozäns in Bitterfeld erforschen, wobei wir uns auf das Leben in und um den Silbersee konzentrieren, eine ehemalige Braunkohlegrube, die in den 1980er Jahren für die Abwässer der Agfa-Filmfabrik in Wolfen genutzt wurde. Unter Verwendung von Asche aus ausgewählter Pflanzen, die rund um den Silbersee wachsen (Phyto-Mining), werden wir Pigmente herstellen und mit Siebdrucktechniken experimentieren, um historische Bilder von Bitterfeld-Wolfen, einst das Herz der globalen Filmindustrie, zu (re)produzieren.
Im Rahmen des Fachmoduls werden Konzepte der Archivierung, Konservation und Restaurierung in künstlerischen und ökologischen Kontexten vor dem Hintergrund des Anthropozäns und speziell Bitterfelds gegenübergestellt und diskutiert. Auf diese Weise erweitert das Lehrmodul kritisch die Diskurse über Umweltsanierung und Renaturierung - was sie privilegiert und wie -, indem es aufzeigt, wie künstlerische Interventionen in Bitterfeld-Wolfen die Arbeit an toxischen Hinterlassenschaften in anderen Industriestädten beeinflussen können.
Die Feldforschung und die Druckexperimente werden im Rahmen des Festivals OSTEN im Kulturpalast Bitterfeld, Parcevalstraße 2a, 06749 Bitterfeld-Wolfen, vom 1. bis 17. Juli 2022. |
Bemerkung |
Lehrende: Frau Caroline Ektander
Termine und Zeiten:
5. April: (9:00 – 11:00) Einführung / Kick-off für Studierende (Einführung in den Moodle Materialien inkl. Literatur) Block 1 Einführung 3. Mai: Exkursionen nach Silbersee: Wanderung und Pflanzensammlung zusammen mit Ökologe Dr. Moritz Mittelbach 4. Mai: Exkursionen zu TU Dresden (historische Farbstoffsammlung, Ausstellung Kunst und Bodenwissenschaften, Pigmentfirma Kremer, Bodenchemie Laboren der TU) 5. Mai: Tandem lecture zusammen mit Prof. Dr. Nike Bätzner (Burg Halle) und gemeinsamen Ausflug ins Filmfabrik Block 2 Erarbeitung Mai bis Juni. Eigenständige Recherche und Erarbeitung eine Aufgabe (TBA) + einzel Arbeitsgespräche Block 3 Präsentation 7-10. Juli: gemeinsame Presentation mit Burg Studierende in Nike Bätzner‘s Gruppe 16. Juli: Siebdruck Workshop mit Öffentlichkeit im Rahmen des Festivals OSTEN, Kulturpalast Bitterfeld
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