Systemtheorie: Difference between revisions

From Medien Wiki
m (removed cat ws09)
Line 207: Line 207:


<!-- Zugehörige Kategorien -->
<!-- Zugehörige Kategorien -->
[[Category:WS09]]
[[Category:Kybernetik]]
[[Category:Kybernetik]]
[[Category:Systemtheorie]]
[[Category:Systemtheorie]]

Revision as of 22:58, 23 November 2009

Einführung in Systemtheorie und Kybernetische Interaktionssysteme

Prämisse

  • Prinzipien in untersch. Disziplinen entstanden - große Unterschiede
  • sehr grobe Einführung / Überblick
  • Konzentration auf wesentliche Bereiche, die relevant sind für interaktive Systeme
  • Bereiche:
    • Konstruktivismus
    • Kybernetik
    • Systemtheorie
    • Kommunikationstheorie

Das Cartesianische Erkenntnismodell

Cartesianisches Erkenntnismodell (bez. auf René Descartes)

  • Die Welt besteht aus geistigen und materiellen Dingen:
  • Damit: Trennung in Beobachter und Beobachtetes (Reduktionismus)
  • Die Welt wurde von Gott erschaffen, damit ist die Wirklichkeit ist vorhanden
  • Erkenntnis ist das Erkennen dieser (statischen) Wirklichkeit
  • Erkenntnisideal ist "Objektivität"
  • Zweifel nur an der sinnlichen Wahrnehmung

Die Trennung in Beobachter und Beobachtetes wirft Probleme auf,
z.B. der Kreter Epimenides sagt: "Alle Kreter lügen!"

=> Die Lösung liegt in einer neuen Betrachtung:

  • Systemtheorie beschäftigt sich mit der Welt der Objekte, ohne diese aus ihren realen Zusammenhängen zu isolieren
  • Konstruktivismus beschäftigt sich mit dem menschlichen Erkennen, Denken, Urteilen - als Teil der zu erkennenden Welt und nicht getrennt von ihr! Konzentration auf Wechselbeziehung zwischen Erkenntnis und Erkanntem

"Wenn die Begriffe, mit deren Hilfe wir unsere Welt zu begreifen versuchen, nicht mehr als eingeborene Ideen betrachtet werden können, wo kommen sie dann her? Wie sind die Bausteine von Weltbildern geformt? Und wie kommen sie zu ihrer Form? All dies sind Fragen, mit denen sich ein Zweig (…) beschäftigt, der eng mit der Entwicklung systemtheoretischer Konzepte und ihrer Anwendung verbunden ist: der (…) 'Konstruktivismus'" Fritz B. Simon

Kybernetik

Feedback

  • Kybernetik gehört zur Systemtheorie:
  • An die steller geradlinig-kausaler Erklärungen treten zirkuläre ("Feedback-Schleife")
  • Anstatt isolierter Objekte betrachtet man Relationen
  • Kybernetes: gr. Steuermann
  • Begriff geprägt von Norbert Wiener, Raketenforscher anlässlich der Vorträge bei den Macy-Konferenzen 1946-1953
  • "Das fundamentale Prinzip kybernetischen Denkens ist (…) die Idee der Zirkularität", Heinz v. Foerster)

Kybernetik erster Ordnung

  • Einfacher Regelkreis
  • i.d.R. technisches Rückkopplungssystem
  • Der Beobachter wird unsichtbar, weggedacht (vgl. Norbert Wiener, Die Rolle des Beobachters)

Dissipative Strukturen / Selbstorganisation

  • Dissipative Strukturen (lat. dissipare: zerstreuen, vernichten) erkennbar
  • Entropie beschreibt irreversible Qualitätsveränderung energetischer Vorgänge innerhalb eines geschlossenen Systems (z.B. Wärmeausgleich; vgl. thermodynamisches Gleichgewicht)
  • EN (=ENergie) & gr. TREPEIN (=Umwandeln/Umkehren)
  • Grauzone zwischen nichtlebenden und lebenden Systemen
  • Autonome Organisationsprozesse ohne planendes oder organisierendes Subjekt => Selbstorganisation
  • Notwendigkeit der Zufuhr von Energie

Autopoiese

  • Hauptcharakter autopoietischer Systeme ist die Fähigkeit zu selbstständiger Reproduktion
  • Autos=selbst, Poiein=machen
  • Autopoietische Systeme sind lebende Systeme - aber nicht notwendigerweise biologischer Natur! Eine Organisation (Partei, Verein) ist ebenfalls ein autopoietisches System.
  • Begriff geformt von den Biologen Humberto Maturana und Francisco Varela

Triviale und nicht-triviale Systeme

  • Wortklärung: Rechnen (v. ordnen, in Ordnung bringen)
  • Analyse von Input-/Output-Relationen

Triviales System:

  • Bekannter innerer Aufbau, bzw. von Außen durchschaubar
  • Berechenbares System
  • Vergangenheitsunabhängig
  • i.d.R. technische Systeme

Nicht-triviale Systeme:

  • i.d.R. unbekannter innerer Aufbau, bzw. von Außen undurchschauber
  • Unberechenbares System
  • Vergangenheitsabhängig
  • i.d.R. komplexe, lebende Systeme
  • Der Mensch ist ein nichttriviales System

Kybernetik zweiter Ordnung

  • Kybernetik der Kybernetik
  • Komplexer Regelkreis der den Beobachter im System beinhaltet
  • Beobachtung 1. Ordnung meint die Beobachtung eines Objektes
  • Beobachtung 2. Ordnung meint die Beobachtung der Beobachtung eines Objektes
  • Immer nichttrivale Systeme, da sich der Beobachter durch die Beobachtung verändert

Kognition und Realität

Die Wahrnehmung

  • Die Wahrnehmung der Eigenschaften eines Objektes sind nicht durch dessen Eigenschaften determiniert, sondern durch die Verarbeitung der Wahrnehmung

"Es gibt eine tiefe Kluft zwischen dem 'die'-Denken und dem 'eine'-Denken (…).' Die 'die'-Auffassung meint: eine Wahrnehmung der Berührung ist eine Bestätigung meiner visuellen Wahrnehmung, dass es einen Tisch gibt. Die 'eine'-Auffassung meint: Meine Wahrnehmung der Berührung in Korrelation mit meiner visuellen Sinneswahrnehmung erzeugt eine Erfahrung, die ich als 'Hier ist ein Tisch' beschreiben kann. Ich lehne die 'die'-Position aus epistemologischen[1] Gründen ab, denn auf diese Weise wird das ganze Problem der Kognition einfach in den blinden Fleck des Erkennens abgedrängt: Man merkt nicht einmal mehr, dass man das Problem der Kognition nicht sieht"' Heinz von Foerster, 1973

  1. Epistemologie = Erkenntnistheorie
  • Kognition -> Errechnen einer Realität
  • Kognition -> Errechnen von Beschreibungen einer Realität

Weiteres Beispiel über den Zufall, die Wahrscheinlichkeit und das Erkennen (Watzlawick, S. 68) anhand einer Folge von Zahlen:

  • 2,5,8,11,… (14 => +3)
  • 4,1,5,9,2,6,3,6,… (Wahrscheinlichkeit 1:10; Mathematiker erkennen eine Ludolfsche Kreiszahl)
  • 1,2,3,4,5,6,7,8,9,10,… (Ordnung? Zufall?)

Das Gehirn

  • Operationale Schließung: Die Operationen des Systems orientieren sich ausschließlich an Operationen des Systems
  • Das Gehirn hat keinen direkten Zugang zur Welt, ist von der Umwelt isoliert
  • Identität ist keine Eigenschaft des Objektes (Gegenstand, Person), sondern ein Merkmal, das ihm von einem Beobachter zugeschrieben wird
  • Durch Interaktion mit der Umwelt entwickeln und verändern sich die internen Strukturen des kognitiven Systems

vgl:

  • Operational offene oder geschlossene Systeme (s.o.)
  • Energetisch offene oder geschlossene Systeme

Strukturdeterminiertheit / Perturbation, Irritation, Instruktion

  • Operational geschlossene, nichttriviale Systeme können nicht instruiert werden!
  • Veränderungen in solchen Systemen kann durch Perturbation (Verstörung, Irritation) hervorgerufen werden
  • Perturbation = äußerer Auslöser für eine strukturdeterminierte Veränderung
  • z.B. sich verändernde Umwelteinflüsse

Beispiel: Jemand tritt einen Hund.

  • Der Hund ist ein autopoietisches, operational geschlossenes System, das nichttrivial reagiert (also nicht auf den Tritt, sondern in Abhängigkeit seiner aktuellen internen Zustände (z.B. Schmerzempfindung, Schmerzmittel etc…)
  • Der Tritt ist für den Hund mehr als das Einwirken von Energie, nämlich Information, die sein Verhalten bestimmt
  • Der Hund gibt dieser Information Bedeutung
  • Der Hund reagiert in Abhängigkeit seiner aktuellen inneren Zustände und bisherigen Erfahrungen
  • Seltsamerweise können autopoietische Systeme nicht gesteuert, jedoch zerstört werden (Auflösung der autopoietischen Organisation).
  • Manchmal verhalten sich autopoietische Systeme als würden sie gesteuert werden: Grundlage von Machtbeziehungen
  • Wenn es nicht möglich ist, instruktiv zu interagieren => Ist dann Informationsübermittlung (Sender/Empfänger) überhaupt möglich?

Kommunikationstheorie

Das Sender-Empfänger-Modell

  • Sender - Information (/Medium) - Empfänger
  • Relation Medium - Botschaft / Verändert das Medium die Botschaft?
  • Medium = dazwischen, in der Mitte
  • Sender und Empfänger schreiben Sinn und Bedeutung zu
  • Der korrekte Empfang der Information wird nicht durch den Sender bestimmt, sondern durch das Verständnis (oder Mißverständnis) und die Interpretation des Empfängers!
  • Kommunikation benötigt eine Basis an übereinstimmenden Vereinbarungen
    • Direkter Kommunikation: Sprache, Symbole, Zeichen, etc.
    • Indirekter Kommunikationszeichen: Gestik oder Mimik, usw.

vgl. Watzlawick, S.50: Messung der Attraktivität zweier identischer Frauenbilder; von denen eines vergrößerte Pupillen zeigte. Niemand erkannte bewusst die Bildmanipulation, die Attraktivität fiel allerdings eindeutig für das Bild mit den größeren Pupillen aus.

Treffen von Unterscheidungen

"Wahrnehmung arbeitet nur mit Unterschieden. Jede Informationsaufnahme ist (…) die Aufnahme einer Nachricht von einem Unterschied, und alle Wahrnehmung von Unterschieden ist durch Schwellen begrenzt' Gregory Bateson, 1979

  • Sind keine Unterschiede vorhanden, kann nichts wahrgenommen werden
  • Informationen bestehen aus Unterschieden
  • Information ist "ein Unterschied, der einen Unterschied macht"
  • Nicht die Unterscheidungen des Senders sind relevant, sondern die des Empfängers
  • George Spencer-Brown, Gesetze der Form:

"Jede Kennzeichnung[1] impliziert Dualität, wir können kein Ding produzieren, ohne Koproduktion dessen, was es nicht ist, und jede Dualität impliziert Triplizität: Was das Ding ist, was es nicht ist, und die Grenze dazwischen" George Spencer-Brown, 1994

"(…)ein Universum (gelangt) zum Dasein (…), wenn ein Raum getrennt oder geteilt wird. Die Haut eines lebenden Organismus trennt eine Außenseite von einer Innenseite. Das gleiche tut der Umfang eines Kreises in einer Ebene. Indem wir unserer Darstellungsweise einer solchen Trennung nachspüren, können wir damit beginnen, die Formen, die der Sprachwissenschaft wie der mathematischen, physikalischen und biologischen Wissenschaft zugrunde liegen, mit einer Genauigkeit und in einem Umfang, die fast unheimlich wirken, zu rekonstruieren, und wir können anfangen zu erkennen, wie die vertrauten Gesetze unserer eigenen Erfahrung unweigerlich aus dem ursprünglichen Akt der Trennung folgen" George Spencer-Brown, 1969

  1. vgl. "Markierungen"

Unterscheidungen nach Systemen:
"Stellen Sie sich vor, ich sei blind und benutze einen Stock. (…) Wo fange ich an? Ist mein geistiges System an dem Griff des Stocks zu Ende? Ist es durch meine Haut begrenzt? (…) Oder beginnt es an der Spitze des Stocks? (…)
Wenn der Blinde sich aber hinsetzt, um zu essen, (wird) sein Stock (…) nicht mehr relevant sein, sofern es das Essen ist, was man verstehen möchte" (Bateson 1972, S.590)

Sprache

  • Beim Aufbau von Wirklichkeitskonstruktionen spielt Sprache eine entscheidende Rolle
  • Die Landkarte ist nicht die Landschaft
  • Die Benutzung sprachlicher Symbole, Zeichen und Metaphern birgt Gefahren und enthält Vorannahmen
  • Womöglich verzehrt man die Speisekarte
  • Niklas Luhmann bezeichnet Kommunikationssysteme als autopoietische Systeme
  • Luhmann trennt zwischen Handlung und Kommunikation:
    • Man kann nicht alleine kommunizieren, aber man kann alleine handeln
  • Paul Watzlawick und Gregory Bateson sehen Handlung als Kommunikation:
    • Man kann nicht nicht kommunizieren

Kybernetisches Modell

  • "Alles was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt" (Maturana)
  • "Alles was gesagt wird, wird zu einem Beobachter gesagt" (von Foerster)

10 Gebote systemischen Denkens

(nach Simon)

  1. Alles, was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt
  2. Unterscheide, was über ein Phänomen gesagt wird, von dem Phänomen, über das es gesagt wird
    (Die Landkarte ist nicht die Landschaft)
  3. Triff Unterscheidungen (wenn Informationen beschafft werden sollen)
  4. Trenne die Beschreibung beobachteter Phänomene von ihrer Erklärung und Bewertung
  5. Der Status Quo bedarf der Erklärung
    (Strukturen autopoietischer Systeme müssen aktiv hergestellt werden)
  6. Unterscheide Elemente, Systeme und Umwelten
  7. Betrachte soziale Systeme als Kommunikationssysteme, definiere ihre kleinsten Einheiten (Elemente) als Kommunikationen
    (Mit dem Ende der Kommunikation endet nicht die Kontinuität der Person, sondern die Kontinuität der Kommunikation)
  8. Die Überlebenseinheit ist immer ein System mit seinen relevanten Umwelten
  9. Orientiere Dein Handeln an repetitiven Mustern
    (Sorge für Berechenbarkeit)
  10. Betrachte Paradoxien und Ambivalenzen als normal


Literatur

  • Baecker, D. 2005. Schlüsselwerke der Systemtheorie. Wiesbaden: VS, ISBN 3531140841
  • Bateson, G. 1979. Geist und Natur - eine notwendige Einheit. Frankfurt/Main: Suhrkamp, ISBN 978-3518282915
  • de Certeau, M. 1988. Die Kunst des Handelns. Berlin: Merve, ISBN 978-3883960609
  • von Foerster, H. 1993. KybernEthik. Berlin: Merve, ISBN 978-3883961118
  • von Foerster, H., Pörksen, B. 1998. Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners. Heidelberg: Carl-Auer, ISBN 978-3896706461
  • Hall, E. T. 1976. Die Sprache des Raumes. Düsseldorf: Schwann, ISBN 978-3590142282
  • Hawkins, J., Blakeslee, S. 2004. Die Zukunft der Intelligenz - Wie das Gehirn funktioniert und was Computer davon lernen können. Hamburg: rororo science / Rowohlt, ISBN 978-3499621673
  • Maturana, H., Varela, F. 2009. Der Baum der Erkenntnis. Frankfurt: Fischer, ISBN 978-3596178551
  • Schöffer, Nicolas 1970, Die kybernetische Stadt, München: Heinz Moos, ASIN B0000BUKD3
  • Shannon, C. E., Weaver W. 1949. The Mathematical Theory of Communication, Urbana IL: The University of Illinois Press, ISBN 978-0252725487
  • Simon, F. B. 2006. Einführung in Systemtheorie und Konstruktivismus. 3rd ed. Heidelberg: Carl-Auer Verlag, ISBN 978-3-89670-547-1
  • Spencer-Brown, G. 1969/1997. Gesetze der Form. 2nd ed. Lübeck: Bohmeier, ISBN 3-89094-321-7
  • Watzlawick, P. 1978. Wie wirklich ist die Wirklichkeit. München: Piper, ISBN 9783492243193
  • Wiener, N. 1936. Die Rolle des Beobachters (The Rôle of the Observer). In: Dotzler, B. ed. Norbert Wiener: futurum exaktum - ausgewählte schriften zur kybernetik und kommunikationstheorie. Wien: Springer, ISBN 9783211834671
  • Wiener, N. 1948. Kybernetik. In: Dotzler, B. ed. Norbert Wiener: futurum exaktum - ausgewählte schriften zur kybernetik und kommunikationstheorie. Wien: Springer, ISBN 9783211834671
  • Wiener, O. 1965/1966. appendix A, der bio-adapter [online], Oswald Wiener, der bio-adapter. Available from: http://personal.georgiasouthern.edu/~hkurz/wiener/ow-1.htm [Accessed: 28.12.2008]