Fluch oder Segen – Ungenutzte Industrierelikte in Erfurt
Die Epoche der Industrialisierung war für die Entwicklung Erfurts von besonderer Bedeutung. Im heutigen Selbstverständnis ist das jedoch kaum noch präsent: In einem Projekt der Professur für Denkmalpflege und Baugeschichte entwickelten Studierende eigene Visionen, um Industriebrachen neues Leben einzuhauchen und ihre Geschichte(n) wieder erlebbar zu machen.
»Die Differenz zwischen historischer Bedeutung und aktueller Wertschätzung der Industriegeschichte zeigt sich in Erfurt unter anderem im Bereich der Industriedenkmalpflege. Neben positiven Beispielen für die Bewahrung und Umnutzung interessanter baulicher Zeugnisse der Produktions- und Verkehrsgeschichte sind in den letzten Jahrzehnten einige Abbrüche zu beklagen«, legt der wissenschaftliche Mitarbeiter der Professur Dr. Mark Escherich dar. Die Relikte dieser Zeit sind im Stadtbild wenig offensichtlich. »An konkreten Beispielen soll gezeigt werden, wie solche Gebäude behutsam entwickelt werden können.«
Mit insgesamt acht ehemaligen Industriearealen beschäftigten sich die Architektur- und Urbanistikstudierenden in ihrem Wintersemester genauer. Dabei analysierten sie den Denkmalwert der Gebäude, kommentierten sowohl die architektonische als auch städtebauliche Situation und erarbeiteten Konzepte und Entwürfe für mögliche Nachnutzungen.
»Häufig werden historische Industriegebäude auch als ‚unbequeme Denkmale‘ bezeichnet. Wir zeigen Möglichkeiten auf, wie in großen Hallen oder untypischen Grundrissen neue Nutzungen möglich sind, ohne die Denkmalwerte zu beeinträchtigen«, so Carsten Pieper, studentischer Projektteilnehmer. Ein Hostel mit Bar in der Nudelfabrik North in der Krämpfervorstadt, altersgerechtes Wohnen im Textilkontor und im Kraftwerk in Gispersleben oder die historischen Hallen im westlichen Bahnhofsgebiet erhalten? Wenn es nach den Entwürfen der Studierenden geht, dann sei dies architektonisch machbar und stadtplanerisch sinnvoll. »Dabei stand für uns im Vordergrund, den Charme und die typische, industrielle Atmosphäre trotz der neuen Nutzungen zu erhalten«, so die Studierenden.
Wichtig sei, Industriekultur nicht als ein weiteres Image für die Stadt Erfurt zu entwickeln – vielmehr geht es den Studierenden darum, Interventionen zu etablieren, welche die Industriegeschichte als wichtigen Teil der Erfurter Geschichte der Öffentlichkeit besser zugänglich machen.
Ein erster Schritt, um Erfurts Industriekultur wieder erlebbarer zu gestalten, wird eine im Rahmen des Projekts entwickelte Präsentation in Erfurt sein.
Welche Ideen haben die Studierenden für die Umnutzungen der Gebäude? Wie wollen sie die Industriegeschichte in Erfurt erlebbarer machen? Die Studierenden entwickelten Antwortmöglichkeiten, die sie gern mit Interessierten, Erfurtern und Anwohnern gemeinsam diskutieren möchten. Dabei werden neben den bereits genannten Industriearealen auch Entwürfe und Ideen rund um den Raiffeisenspeicher, die Druckerei Fortschritt, das Heizkraftwerk Hohenwindenstraße und das Steinsalzbergwerk an der Salinenstraße in der Ausstellung genauer unter die Lupe genommen.
Eckdaten der öffentlichen Präsentation und Diskussion
Industriedenkmalpflege in Erfurt. Ein Projekt der Professur für Denkmalpflege und Baugeschichte an der Fakultät Architektur der Bauhaus-Universität Weimar.
Donnerstag, 31.1.2013, 17:00 – 20:00 Uhr
Radio F.R.E.I., Gotthardtstraße 21, Erfurt
Für Rückfragen wenden Sie sich gerne an Carsten Pieper, Studierender im 3. Fachsemester Urbanistik (B.Sc.) an der Fakultät Architektur der Bauhaus-Universität Weimar (Tel.: 0151 - 41 45 52 79, E-Mail: carsten.pieper@uni-weimar.de).