Ein Buch- und Ausstellungsprojekt widmet sich dem Leben von Else Goldschmidt, der ersten Börsenmaklerin der Welt, und wird am 13. Juli 2023 um 19 Uhr in der LiteraturEtage Weimar präsentiert.
Bei den Recherchen über die Berliner Börse im Rahmen ihrer Dissertation 2015 entdeckte Dr. Katrin Richter, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Bauhaus-Universität Weimar, im Landesarchiv Berlin zufällig eine Fotografie von Else Goldschmidt (1898−1975), der ersten Frau an der Berliner Börse. Allerdings waren trotz intensiverer Archivrecherchen keine weiterenInformationen über sie zu finden, nicht einmal ihre Lebensdaten.Durch einen Zufall konnte sie drei Jahre später die Nachfahren Else Goldschmidts in Jerusalem ausfindig machen und erhielt wichtige Hinweise, Fotografien und Zeitungsartikel. Diese waren der Ausgangspunkt, um mit der vorwiegend archivischen Forschungsarbeit fortfahren zu können.
Else Goldschmidt war die erste Frau, die 1927 ihre Zulassung als freie Maklerin an der Berliner Wertpapierbörse erhielt und damit die emanzipierte Frau der Weimarer Republik verkörpert. Die Konzession war durch die in der Weimarer Verfassung verankerte Geschlechtergleichstellung möglich geworden. Nach der »Machtergreifung« durch die Nationalsozialisten 1933 erhielt Else Goldschmidt Berufsverbot, war gezwungen, nach Südafrika zu emigrieren, arbeitete als Bankangestellte in Johannesburg und später in der Bekleidungsfirma ihres Mannes. In ihrem Entschädigungsantrag schreibt sie 1955: »Ich habe niemals wieder die Möglichkeit gehabt, eine selbständige und auch nur annähernd meiner Position in Deutschland gleichkommende Stellung im Wirtschaftsleben in Südafrika zu erreichen.«
Als Ergebnis dieses Forschungsprozesses ist nun das Buch- und Ausstellungsprojekt »ELSEˈS STORY. Aus dem Leben der ersten Börsenmaklerin der Welt« entstanden, welches im Rahmen der summaery am 13. Juli 2023 erstmals präsentiert wird. Das Buch beginnt mit der Vorgeschichte, in der das Auffinden und Rekonstruieren dieser besonderen Lebensgeschichte Else Goldschmidts thematisiert wird. Anschließend folgt der Hauptteil, der zwölf Lebensstationen von Else Goldschmidt umfasst. In der Form wissenschaftlicher Essays beinhalten sie sowohl historisches Quellenmaterial, Fotografien und Zeitzeugen-Berichte als auch fiktionalisierende Elemente. Ausgangspunkt jeder Episode ist ein Objekt, das beschrieben und kontextualisiert wird. Auf diese Weise soll dieser in Fragmenten erhaltene Lebensweg nachgezeichnet werden und ein Beitrag zur Erforschung der Rolle der Frau an der Börse – bislang ein Forschungsdesiderat – geleistet werden.
Allerdings erfordert das bislang unbekannte, besondere Leben von Else Goldschmidt nicht nur den Blick zurück. Zu thematisieren ist auch die Relevanz des Vergangenen im Hier und Heute. Darum sind ELSEˈS STORY auch Zeilen von Studierenden und jungen Wissenschaftler*innen beigegeben, die die Begriffe Heimat, Aufbruch, Wagemut, Zufall, Engagement, Krise, Emigration, Staatsbürgerschaft, Familie, Emanzipation, Menschenrechte und Glaube aus ihrer Sicht mit jeweils einhundert Worten beschreiben. Auf diese Weise soll das Vergangene in eine lebendige Erinnerungskultur transferiert werden. »Durch die Beschäftigung mit der Lebensgeschichte Else Goldschmidts ist mir nochmal deutlich geworden, wie wichtig die eigene Haltung für Bewahrung demokratischer Werte ist. Es ist ein hohes Gut, in Freiheit und Selbstbestimmung leben zu können. Die damit verbundene Fragilität möchte ich mit dem Buch und der Ausstellung, an denen viele Personen mitgewirkt haben, vermitteln«, betont Katrin Richter.
Das Buch und die Ausstellung gestaltete Ricarda Löser, Alumna der Bauhaus-Universität Weimar. Den Text übersetzte Michael Thomas Taylor in die englische Sprache. Das Buch erscheint im Lucia Verlag Weimar, einer studentischen Initiative der Bauhaus-Universität Weimar. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Bücher kommen neuen studentischen Publikationsprojekten zugute.
Das Buch- und Ausstellungsprojekt erhielt Förderungen durch die Bauhaus-Universität Weimar (Ausgleichsfonds, Diversitätsfonds, Frauenförderfonds, Kreativfonds, Publikationsfonds), den Freundeskreis der Bauhaus-Universität Weimar e.V., der Sparkassenstiftung Weimar‒Weimarer Land und den Weimarer Republik e.V. (Bundesministerium der Justiz).
Buch
Katrin Richter, »ELSEˈS STORY. Aus dem Leben der ersten Börsenmaklerin der Welt«, 100-Worte-Texte: Celina Berghaus, Jonas Böddicker, Franka Fetzer, Lilli Hallmann, Gerrit Heber, Rebekka Reichert, Leon Richter und Josephine Tiede, Übersetzung: Michael Thomas Taylor, Gestaltung ‒ Satz: Ricarda Löser, Lektorat: Jana Mangold, Ethische Beratung: Sharon Adler, LUCIA Verlag Weimar, 2023, 30 EUR, ISBN: 978-3-94530-171-5.
Lesung – Buchpräsentation
Donnerstag, 13. Juli 2023, 19 Uhr
LiteraturEtage, Marktstraße 2‒4 (Obergeschoss), 99423 Weima
Lesung in deutscher und englischer Sprache: Katrin Richter, Kathrin Zeidler,
Musikalische Improvisation: Haonan Guo (Hochschule für Musik Franz Liszt)
Buchpräsentation: Katrin Richter, Ricarda Löser und Alexandra Noack.
Eine Veranstaltung der Bauhaus-Universität Weimar und der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.
Ausstellung
11. Juli (125. Geburtstag Else Goldschmidts) bis 22. September 2023
Foyer der Universitätsbibliothek der Bauhaus-Universität Weimar, Steubenstraße 6, 99423 Weimar
Finissage 22. September 2023, 17 Uhr
Gefördert mit der freundlichen Unterstützung im Rahmen des Förderprogramms »23 x 1000« vom Weimarer Republik e.V. (Bundesministerium für Justiz). Es ist eines von 23 Projekten, die sich deutschlandweit mit dem Inflationsjahr 1923 auseinandersetzen.
Für Rückfragen steht Ihnen gerne Dr. Katrin Richter, Universitätsbibliothek, per E-Mail: katrin.richter[at]uni-weimar.de oder telefonisch: +49 (0) 3643/58 28 03 zur Verfügung.
Weitere Informationen: https://www.uni-weimar.de/goto/zm-878914
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