Als »Best of Best« der Newcomer kürte der Rat für Formgebung am 17. April 2023 die Produktdesign-Alumni Julia Huhnholz und Friedrich Gerlach für ihre Abschlussarbeit »The Essence of Biocement«.
Das von ihnen entwickelte Sitzmöbel besteht zu 100 Prozent aus selbstproduziertem Biozement. Im Zuge ihres Designstudiums an der Fakultät Kunst und Gestaltung der Bauhaus-Universität Weimar suchten die Jungdesigner*innen nach klimaneutraleren Herstellungsverfahren für ihre Produktdesigns. Das Projekt hat ein Möbelstück von eindrucksvoller Formensprache hervorgebracht, das beispielhaft zeigt, wie zukunftsweisendes Design immer mehr durch die Forschungsimpulse des Nachwuchses entstehen kann.
Der noch relativ unbekannte Biozement weist einige Vorteile gegenüber dem klassischen Zement auf, der mit immensen Folgen für das Klima in der Baubranche eingesetzt wird. Zum einen benötigt dessen Herstellung große Mengen an Hitze und somit Energie. Zum anderen wird bei der chemischen Reaktion im Zementofen Kohlendioxid freigesetzt. Biozement muss nicht gebrannt werden und emittiert weniger CO2, da es mithilfe eines Bakteriums hergestellt wird, das Urea abbaut und Kalk herstellt. Ein Rohstoff wie Sand vermischt mit Calciumchlorid erhärtet mithilfe dieses Prozesses ohne Brennvorgang. Gerlach und Huhnholz verzichteten für ihren Entwurf zudem auf Sand. Dieser wird durch die hohe Zement- und Betonproduktion immer knapper – weltweit werden jährlich circa 50 Milliarden Tonnen Sand verbraucht, so ein UN-Bericht. Stattdessen recycelten sie Ziegelsteine, die auf dem Campus der Universität nicht mehr gebraucht wurden.
Julia Huhnholz und Friedrich Gerlach widmeten sich dem Biozement im Zuge ihres Produktdesignstudiums – ohne vorherige Erfahrungen in der Mikrobiologie. Zunächst erforschte das Duo die Zement-Alternative und entwickelte im zweiten Schritt in monatelangen Versuchen eine komplexe Maschine, die ihnen half, die mehrstufige Produktion zu vereinfachen. Die Bakterien müssen unter anderem alle zwei Stunden »gefüttert« werden. Im Nachgang erarbeiteten Gerlach und Huhnholz Methoden zur Formgebung von Biozement. Die geschwungenen Konturen ihres Möbelstücks erreichten sie durch eigens hergestellte Schalen, die sie im 3D-Druck fertigten – in diesen erhärtet die Biozement-Masse. »Unser Ziel war es, dieses Material durch unser Objekt erlebbar und verständlich zu machen«, so die beiden.
Jedes Jahr vergibt der Rat für Formgebung in Mailand den internationalen Newcomer-Preis »one&twenty«, bisher bekannt als »ein&zwanzig«, für herausragende Entwürfe junger Designer*innen. Unter den 545 Einreichungen der Designstudierenden und Absolvent*innen prämiert eine renommierte Jury die 21 besten Produkt- und Projektideen. Huhnholz und Gerlach erhielten nun die Sonderauszeichnung »Best of Best«.
»The Essence of Biocement« sowie die weiteren 20 Winner-Projekte sind noch bis zum 23. April in der mailändischen Zona Tortona (Via Tortona 31, Opificio 31) ausgestellt.
»The Essence of Biocement« wurde von Dr. Jan Willmann, Professor für Theorie und Geschichte des Design, Katrin Krupka, damalige Vertretungsprofessorin für Material und Umwelt, und dem Wissenschaftlichen Mitarbeiter Michael Braun, Theorie und Geschichte des Design, betreut.
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