Der Niemehrmorgenraum (Time Machine)
5 von 23 Meisenkästen für unsere Nachbarplaneten
Pop up-Show von Sies+Höke bei Schönewald
Ausstellungsdauer:
21. Oktober bis 12. November 2022
Öffnungzeiten:
Dienstag bis Samstag
10 bis 18 Uhr
Ausstellungort:
Pop Up Location Schönewald
Lindenstraße 182
40233 Düsseldorf
Die Ausstellung Der Niemehrmorgenraum (Time Machine) ist die dritte Station der Werkserie 23 Meisenkästen für unsere Nachbarplaneten, die Björn Dahlem 2003 in New York begonnen hat. Herzstück jeder Skulptur ist ein futuristischer Entwurf für einen utopischen Meisenkasten. Diese Meisenkästen sollen in ferner Zukunft, wenn die Menschen das Weltall besiedeln, gebaut und auf unseren Nachbarplaneten aufgestellt werden, um auch dort den Fortbestand der Meise - als biologischem Sinnbild für künstlerischen Impetus und Anarchie - ein sicheres Überleben und Fortkommen zu garantieren. Allen Vitrinen sind außer den Meisenkastenmodellen Objekte und Skulpturen beigegeben, die dem Temperament des jeweiligen Bestimmungsplaneten zugeordnet sind. Nachdem die Besiedelung des Mars durch den Menschen mittlerweile technisch in greifbare Nähe gerückt ist und Dahlem in vergangenen Ausstellungen bereits Modelle für alle Planeten unseres Sonnensystems gezeigt hat, wendet er sich nun den Exoplaneten und Monden des Deep Space zu. Dazu gehören Second Earth (Caspar David Friedrich), An Unknown Planet in Eridanus Supervoid (Claus), New Saturn (Melancolia Deep Field), die New Moons, der Neu Jupiter (Meisenmensch) und der Pubertäts- und Popmusikplanet Britney.
»In ferner Zukunft, wenn alle menschlichen Probleme gelöst und aufgeräumt sind, sehen erdähnliche besiedelte Planeten (also zweite Erden) vielleicht so aus wie die große, geometrische Kugel: weiß, neutral, total aufgeräumt und dystopisch. Gut wenn es dann noch einen schön filigran verkraterten Mond mit einer Caspar David Friedrich Fichte darüber gibt, auf den man in eine leicht psychedelische, rosarote Abendsonne fliehen kann.«
»Eridanus Supervoid ist ein gigantisches, leeres Gebiet im Universum, das auch CMB Cold Spot (CMB: Cosmic Microwave Background) genannt wird, in dem sich nahezu absolut gar nichts befindet (noch nichtmal kosmische Hintergrundstrahlung). Möglicherweise kreist aber genau in diesem unwirtlichen und rätselhaften Gebiet ein unbekannter Planet in der kalten Dunkelheit, der von Kohlmeisen bewohnt wird und der den Namen Claus trägt. Dort sind die Bäume aus Zucker und sehen seltsam aus.«
»Mein Lieblingsmond ist einer der Plutomonde, Nix, der Geschwistermond von Styx (und eigentlich auch noch von Kerberos und Hydra). Pluto wurde ja gewissermaßen aus dem Planetensystem exkommuniziert und ist jetzt leider ein Außenseiter. Nix ist der Außenseitermond des Außenseiterplaneten. Im Vergleich zum schönen, neu 3D-geprinteten alten Mond unten sieht er ganz schön kaputt aus, fast wie ein halbverrotteter Tennisball. Aber er thront auf einer Pyramide, einer Energiepyramide mit Kristallen und auf seiner Oberfläche wächst ein goldenes Blatt, so schlimm ist es dort als gar nicht.«
»New Saturn ist der neue Saturn, also eigentlich der alte, bekannte Saturn, nur anders und besser (so wie New York oder Neuschwanstein). Er ist beispielsweise eckig, hat nur einen sehr dünnen Ring und ist dadurch noch melancholischer und morbider. Zum Glück ist der Saturn aber auch der Planet des Reichtums (Gold!)! Saturn ist der komplizierteste Planet, der Planet des Schicksalhaften. Er gilt gemeinhin als der Verursacher der Melancholie, die nach vielen Theorien ja der heimliche Motor allen künstlerischen Schaffens sein soll.«
»Britney ist ein Musik- und Pubertätsplanet. Vieles dort ist peinlich oder rosarot. Die Musik ist nicht wirklich gut (so ist z.B. der Unterschied zwischen Eierschneider und Harfe völlig unbekannt), aber sehr emotional und voll einfacher Wahrheiten. Wenn es beispielsweise auf einem Damien Hirst-Planeten (der nicht existiert) in der Sehnsucht des Künstlers danach, für immer mit dem Betrachter verbunden sein zu wollen, etwas überkomplex hieße: »I Want to Spend the Rest of My Life Everywhere, with Everyone, One to One, Always, Forever, Now« so heißt es auf dem Planeten Britney etwas weniger selbstbewußt, aber umso gefühlvoller: »My lonelyness is killing me, I must confess, I still believe.«
»Der Meisenmensch ist ein Übermensch, ein Siegertyp. Vielleicht ist Neu Jupiter nicht mehr ganz so jovial und gutgelaunt wie das Original, dafür aber noch erfolgreicher, noch brillianter. Sein Wappentier ist die Haubenmeise, der Chef unter den Meisen.«
Die Gegenwart besteht aus einem Gefühl von Zukunft. Aber in der tatsächlichen Zukunft sollen wir wie in der Vergangenheit leben. Die Utopie von Raumschiffen und Raketen ist abgeschafft. Die neue Utopie ist nicht mehr als Bauern- und Landschaftsmalerei.
Gerade noch aktivieren wir surrende Elektroroller mit unseren Telefonen und gleiten wie Kinder durch die Welt. Und der Kühlschrank bestellt die Soylent-Green-Soya-Milch automatisch nach. Aber morgen schon sollen wir mit dem Lastenrad durch eine Metropole fahren, die wie ein skandinavisches Dorf um neunzehnhundert während einer Hungersnot aussieht – verkehrsberuhigt als Begegnungszone für Menschen in klimaneutralen und lokal hergestellten Leinenhemden, die sich im Tauschhandel versuchen. Die Welt ist in Ordnung, nur die Zeit ist kaputt.
Björn Dahlem glaubt noch an eine Zukunft der Zukunft. In seinem »Niemehrmorgenraum« entwirft er die endgültige, die letzte Utopie aller Utopien, die letzte Zukunft schlechthin. Danach wird es nichts mehr geben. Keinen Ort. Und keine Zeit. Seine Arbeiten rufen im herrlichen neo-Futur: »ich will den Warp-Antrieb, die Ultra-Zukunft, die Endmaisenkästen.«
Dahlem beschäftigt sich schon lange mit Meisen. In seiner Endzukunft werden die Maisen die verbliebenen Planeten unseres Sonnensystems kolonialisieren. In der utopischen Architektur seiner Maisenkästen werden sie leben und herrschen.
Die Meise war immer schon Zentrum, immer schon Zukunft. An ihr konnte man, war man nur aufmerksam genug, das endgültige Futur des Menschen erkennen.
In den letzten Jahren sind die Schnäbel der Meisen länger geworden. Das ist keine Entwicklung an sich, sondern liegt daran, dass jene Meisen, die längere Schnäbel haben, besser an Futter kommen. Das wurde in London beobachtet, wo Maisenkästen anders als in Kontinentaleuropa sehr populär sind. Die Meisen mit den kürzeren Schnäbeln verhungern, weil sie einen Nachteil gegenüber denen mit langen haben. Und so begann auch das Zeitalter der langen Schnäbel.
Am Anfang bemerkte das kaum einer. Die Wissenschaft beschäftigte sich mit anderen Dingen. Mit Aids, der Kernfusion oder der Erzeugung klimaneutraler Energien. Dort lagen Verheißungen, von deren Glanz Ornithologen nicht einmal träumen konnten. Jetzt aber, wo das »Niemehrmorgen« vor der Tür steht, die Zeit bald enden und die Zukunft abgeschafft wird, wird das gänzlich anders sein.
Björn Dahlems Skulpturen von Maisenkästen tragen Namen wie »Second Earth (Caspar David Friedrich)« oder »Eridanus Supervoid (Claus)«. Zunächst einmal sind es schöne Gegenstände – ästhetische Orte von einem schönheitsbewussten Geist geschaffen. Es spiegelt, es funkelt, glatte Oberflächen wechseln sich mit Gitter und Wabenstrukturen ab, als hätten eine KI, eine Architektin und die Natur selbst sie erschaffen. Und in alledem befinden sich unter anderem ein Wurmloch, ein Paralleluniversum und eine Zeitmaschine. Die Installationen selbst sind Wurmlöcher, die Fantasie mit Fiktion verbinden, »Blade Runner« mit Quantenphysik.
Es sind verspielte aber trotzdem sinnvolle Orte. Dahlem entwirft eine Architektur der Zukunft, und zwar gleich in zwei Formen. Einmal weil es die Architektur der Zukunft ist, also die Räume, die in der Zukunft bewohnt werden. Und zum anderen entwirft er den Raum der Zukunft selbst.
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