Sandra Rücker*

Portrait photo von Sandra Rücker
Photo: Johannes Heppner

Artistic Associate at the professorship Art and its Didactics

Geschwister-Scholl-Straße 7, room 102
99423 Weimar

phone: +49(0)3643 / 58 33 12
e-mail: sandra.ruecker[at]uni-weimar.de

Sandra Rücker (*1995 in Saalfeld) ist Audiokünstlerin und Kunstpädagogin. Sie studierte für das Lehramt an Gymnasien in den Fächern Kunst und Biologie an der Bauhaus-Universität Weimar und der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. 

Im Rahmen ihrer Examensarbeit beforschte sie die transgenerationalen Langzeitfolgen innerfamiliärer Heimatverluste. Dafür untersuchte Sie den Kontext der Umsiedlungen aus dem Staubereich der Talsperre Hohenwarte im Thüringer Schiefergebirge in den 1930er Jahren sowie die Bedeutung der Dislokalisierung in den Folgegenerationen, unter welche sie als Nachfahrin einer Umsiedlerfamilie selbst zählt. Aus den Ergebnissen der künstlerischen Forschungsarbeit entstand ein kritisch-reflexiver Erinnerungsort für das geflutete Dorf »Preßwitz«. Ein Audiowalk führt zu den authentischen Koordinaten des Ortes und erweitert die überformte Landschaft des Saaletals akustisch mit authentischem Interview- und historischem Textmaterial.

Während ihres Studiums unterstützte Sandra Rücker außercurricular Lehr- und Forschungsaktivitäten ihrer beiden Studienstandorte, darunter die 9. Studentische Tagung zur Kunstvermittlung »Resonanz«. Weiterhin übernahm sie nationale und internationale Gutachter*innentätigkeiten der Agentur AQAS sowie der Stiftung Innovation in der Hochschullehre. 

Sandra Rücker ist seit 2022 künstlerische Mitarbeiterin im Projekt »LandKulturBildung« an der Professur »Kunst und ihre Didaktik« an der Fakultät Kunst und Gestaltung, der Bauhaus-Universität Weimar.  

LandKulturBildung ist ein Einzelprojekt innerhalb des Teilvorhabens »Lernen am Objekt« der Universitätsinitiative Lernraum.Bauhaus. Das »Lernen am Objekt« spielt in der Lehrer*innenbildung eine ebenso wichtige Rolle, wie im pädagogischen Handeln, auf welches das Lehramtsstudium vorbereitet, selbst. Wird ein konkretes Objekt als Impulsgeber verstanden, kann es zum gemeinsamen Ausgangspunkt unterschiedlichster Auseinandersetzung mit vermittlungsrelevanten Inhalten aus einer Vielfalt von Forschungsfeldern und Wissenschaftsbereichen werden. Das Lernen am Objekt in offenen Lernszenarien bietet Potential, methodisch vielfältige, interessensgeleitete und von den Lernenden selbstregulierte Lernprozesse zu eröffnen.  

Das Einzelprojekt «LandKulturBildung» der Professur »Kunst und ihre Didaktik« verfolgt das Ziel, gegenüber Thüringer Schüler*innen Sichtbarkeit und Bewusstsein für wenig beachtetes, kulturelles Erbe im ländlichen Raum zu schaffen. Kulturgüter werden als Lernobjekte zu konkreten Beispielen historischer, politischer, gesellschaftlicher, ökologischer, kultureller Kontexte, welche sogleich eine Relevanz für die Vermittlung in verschiedenen Unterrichtsfächern haben. 

In »LandKulturBildung« erarbeiten Studierenden der Fakultät Kunst und Gestaltung mit Studierenden unterschiedlicher Lehramtsstudiengängen der Bauhaus-Universität Weimar und der Friedrich-Schiller-Universität Jena eine didaktische sowie mediale Aufarbeitung Thüringer Kulturgüter, welche in Form in Thüringer Schulen implementiert werden soll.

Im Projekt schaffen wir zusammen mit der Stadt Apolda Sichtbarkeit für die verblieben kleinen Strick- und Nähateliers des Weimarer Landes mit dem Ziel durch Vernetzung nachhaltige textile Zukunft zu gestalten. Um Kunst- und Kulturschaffende auf die kleinen Firmen aufmerksam zu machen, produzieren wir Atelierportraits in Form von Audio- und Videobeiträgen, welche die Geschichten und Personen hinter ihren Fassaden sichtbar machen.

more

Die anhaltende Verbreitung antisemitischer Verschwörungstheorien auf Querdenker-Demonstrationen, antijudaistische Darstellungen in deutschen Kirchen wie dem Erfurter Dom und die (Nicht-)Debatte um die documenta fifteen lassen keinen Zweifel offen, dass Kunst auch politisch ist. Mehr noch betonen diese Tatsachen die Relevanz, Aktualität und Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit Antisemitismus und anderen Formen von Diskriminierung in, mit und durch Kunst.

more

Wie gehen wir mit Verlust um? Wie begegnen wir Leerstand? Was zieht uns an verlassene Orte? Was können wir an verlorenen Orten lernen? Was bewegt uns, Dinge vor ihrem Verschwinden zu retten? Erzählen Orte sich selbst oder sind es ihre Menschen, die sie erzählen? Wer sagt die Wahrheit? Wie betrachten wir ländliche Räume? Wir begegnen wir ungewohnten Lebensrealitäten?

more
Foto: Johannes_Heppner

„Da lag Preßwitz schräg drinne“

Sandra Rücker beschäftigt sich mittels künstlerischer Forschung mit erinnerungskulturellen Praktiken ländlicher Räume. Im Rahmen ihrer Examensarbeit, welche künstlerisch durch die Professur Experimentelles Radio (M.F.A. Elena Zieser) und wissenschaftlich durch die Professur Kunst und ihre Didaktik (Prof. Dr. Andrea Dreyer) betreut wurde, setzt sie sich mit dem Heimatort ihrer Familie, welcher 1938 evakuiert und zugunsten des Baus der Talsperre Hohenwarte geflutet wurde, auseinander.

Im Rahmen dessen entstand eine künstlerische Forschungsarbeit, welche die transgenerationalen Langzeitfolgen innerfamiliärer Heimatverluste untersucht.
Diese unternimmt den Versuch, soziologische, kultur- und geschichtswissenschaftliche Gedächtnistheorien und -modelle auf den konkreten Gedächtnisbestand um »Preßwitz« anzuwenden. Mittels Methoden der ethnografischen Feldforschung wurde das rezente Gedächtnis von Preßwitz, unter anderem durch leitfadengestützte Interviews mit Nachfahren Preßwitzer Familien, durch Dokumentenanalysen von Archivmaterial und durch Gedächtnisprotokolle zur Verhandlung von Preßwitz als ein Teil der eigenen Identität untersucht.

Auf Grundlage dessen schrieb und produzierte Sandra Rücker einen Audiowalk als performativen Erinnerungsort für Preßwitz. Dieser leitet seine Hörenden in einem Boot sitzend über die Wasseroberfläche der Talsperre Hohenwarte zu den authentischen Koordinaten der gefluteten Wüstung. Was die idyllisch von Ferienhäuschen und Nadelwäldern flankierte Fjordlandschaft im Oberen Saaletal kaum erahnen lässt, befördern die Hörenden mit jedem Ruderschlag zurück an die Wasseroberfläche. Sei es die Sehnsucht seiner einstigen Bewohner*innen nach der im Staubereich zurücklassen Heimat oder die Erinnerungen an eine innige Dorfgemeinschaft, die sich mit der Umsiedlung auflöste. Seien es die Geheimnisse der Großmutter, die aufgrund ihres Heimatverlustes nicht sprach oder die längst überholt erscheinenden ortstypischen Traditionen und Bräuche. Seien es die militärischen Kriegsvorbereitungen durch die Wehrmacht in den Ruinen des Dorfes oder die Zwangsarbeit, durch welche die Talsperre erbaut wurde.
Der auditive Erinnerungsort für Preßwitz zielt darauf ab, für die transgenerationale Bedeutung von Heimatverlusten zu sensibilisieren und Bewusstsein für die Talsperre Hohenwarte als nationalsozialistische Erbe zu schaffen.