Welche Denkmale welcher Moderne?

Thesenpapier

Zum Abschluss der dreijährigen Förderung durch das BMBF im Rahmen der Förderrichtlinie „Die Sprache der Objekte“ haben die am Verbundforschungsprojekt „Welche Denkmale welcher Moderne?“ beteiligten Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität Dortmund und der Bauhaus-Universität Weimar zusammen mit KooperationspartnerInnen aus der praktischen Denkmalpflege, benachbarten Forschungsprojekten und interessierten Organisationen an einem zweitägigen Workshop in den Räumen der Bundesstiftung Baukultur in Potsdam am 19. und 20.1.2017 ein abschließendes Thesenpapier erarbeitet.

Dieses können Sie hier herunterladen:
Das bauliche Erbe der 1960er bis 80er Jahre – Auswahl, Akteure, Strategien .pdf

Erfassen, Bewerten und Kommunizieren des baulichen Erbes der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts

Können Großwohnsiedlungen (hier ein Beispiel aus Straßburg) Denkmale werden? (Foto: Professur Denkmalpflege und Baugeschichte der Bauhaus-Universität Weimar)
Wie kommt die Selektion zustande? Das Kongresszentrum in Augsburg ist auf der Denkmalliste, der zeitgleiche Hotelturm nicht. (Foto: Professur Denkmalpflege und Baugeschichte der Bauhaus-Universität Weimar)
WDMW geht online – unter www.wdwm.info gibt es Informationen zu Projekten und Veranstaltungen


Bauwerke sind die größten Objekte, mit denen wir in unserem Alltag konfrontiert sind. Ihrer Rolle bei der gesellschaftlichen Symbolproduktion und ihren Identifikationsangeboten gilt das kulturwissenschaftliche Interesse. Aus dem Gesamtbestand der Bauten wird eine Auswahl aufgrund der den jeweiligen Objekten zugeschriebenen Bedeutung als Denkmale herausgehoben. Diese sind für die Gesellschaft von besonderer kultureller Relevanz, sie sprechen Erinnerungen an, befriedigen ästhetische Bedürfnisse und bilden Folien für gesellschaftliche wie individuelle Sinnstiftungen. Die diese Denkmale begründenden Werte sind den Objekten zwar nicht ontologisch eingeschrieben, aber doch aufs Engste mit ihrer dinglichen Erscheinung verknüpft. Denkmalbedeutung und damit auch die Sprache resp. das Sprechen der Dinge konstituiert sich folglich zwischen konkreter Materialität und sozialer Konstruktion. 

In diesem Spannungsfeld erscheinen die Bauwerke der 1960er bis 80er Jahre gegenwärtig sowohl materiell als auch hinsichtlich ihrer Rezeption als besonders problematisch. Durch immer kürzere Abschreibungsfristen, Gewährleistungs- und Haltbarkeitsdaten sowie durch rasch wachsende Anforderungen an die gebäudebezogene Energiebilanz erhält die Problematik eine bisher in der Architekturgeschichte ungekannte Brisanz: Bauten einer ganzen Generation drohen zu verschwinden oder unkenntlich zu werden, noch bevor sich die Gesellschaft ihrer potentiellen historischen oder künstlerischen Bedeutung überhaupt bewusst geworden ist.

Hier setzt das Forschungsprojekt an, das über die gegenwärtigen Falldiskussionen und Status quo-Bilanzierungen hinausgeht und Argumentationszusammenhänge schafft für ein grundlegendes Verständnis der Prozesse und die denkmalkundliche Objektanalyse vor Ort. Damit ergibt sich ein Zugang zum Thema, der die notwendig objektbezogenen Einzelfallentscheidungen in einen größeren Zusammenhang zu stellen vermag und zugleich einen neuen Blick auf potenzielle Denkmale ermöglicht, die bislang in der Fachdenkmalpflege noch keine Rolle spielen. Lokale Identitätsbedürfnisse heben auf andere Objekte ab als historische Erkenntnisinteressen, und ökologische Nachhaltigkeitsbestrebungen fokussieren naturgemäß auf andere Denkmale als Interessen an einer schönen Umgebung. Deshalb geht unser Projekt auch nicht von der im denkmalpflegerischen Alltag üblichen Problemstellung aus (aus welchen Gründen kann dieses oder jenes – meist in Gefahr befindliche – Objekt unter Schutz gestellt werden?), sondern fragt, im Sinne der „Selektionsverantwortung“ (W. Lipp) des Denkmalpflegers, welche Arten von Objekten für die differenzierten und diversen Wertvorstellungen der Gesellschaft als Denkmale von Bedeutung sein können. Dazu wird das denkmalpflegerische Fragen-Set um Perspektiven der sozialwissenschaftlichen Stadtforschung erweitert, die die Sprache der Dinge handlungs- und struktursoziologisch analysiert. Mit den Methoden der Emotionssoziologie fragt sie danach, welche Erinnerungen in der Stadt als legitim repräsentiert werden, wer diese Legitimationen produziert und ob es emotional unterschiedlich normierte Räume gibt. Die Authentizität eines Ortes und der Denkmalstatus der Objekte werden hier im Kontext von Integrations- oder Verdrängungsprozessen relevant.

Links
WDWM – Welche Denkmale welcher Moderne?
German Architects