…wenn man ein Architektur-Studium in Weimar beginnt? Studentin Lena Zimmermann folgt den »Neuen« zwei Wochen lang bei ihrem Bachelor-Einführungskurs und findet unter anderem heraus, was es mit dem Wesen »Architektromm« auf sich hat.
»Startschuss für die beiden Einführungswochen« - 14. Oktober 2013
»Zeichnen über den Dächern Weimars« - 16. Oktober 2013
»Stadterkundung mal anders« - 17. Oktober 2013
»Das Architektromm entsteht« - 21. Oktober 2013
»Erzeugt mitreißenden, rhythmischen Krach! Bringt Stahl zum Klingen! Findet den Groove!« Diese Aufforderung gilt nicht etwa angehenden Schlagzeugern oder talentierten Beatboxern. Das ist die Aufgabenstellung, mit der Dekan Professor Bernd Rudolf die Architektur-Erstsemester auf das diesjährige Einführungsprojekt »Architektromm« einstimmt. Das Einführungsprojekt hat eine lange Tradition: Seit jeher erwartet »die Neuen« noch vor dem offiziellen Start der Seminare dieses außergewöhnliches Format, das eine Mischung aus Zeichnen, Entwerfen, Bauen und einer spektakulären Aufführung ist. »Das ist ein zweiwöchiger Ausnahmezustand und jedes Jahr ein Highlight für die ganze Fakultät«, beschreibt Seminarleiterin Luise Nerlich die Einführungswochen.
Die Einführungswochen bestehen aus einem zeichnerischen Aufgabenteil und einem Kreativteil. Um sich der Architektur zu nähern, werden die Studierenden in den kommenden Tagen Weimar und Umgebung zeichnerisch erkunden – ausgerüstet mit Skizzenblock, Bleistift oder Tusche und Radiergummi. Parallel zum zeichnerischen Teil arbeiten die Studierenden in ihren Seminargruppen am Kreativprojekt »Architektromm«. Dabei geht es um Klangerzeugung, Rhythmus, Takt, Lautstärke und Performance.
Auf den ersten Blick etwas abgedreht, auf den zweiten Blick ein großartiges Experiment: Mit simplen Artefakten sollen die Studierenden das Fabelwesen »Architektromm« schaffen. Es steht sinnbildlich für einen gemeinsamen Rhythmus, für eine eingelöste Wirklichkeit und dafür, die eigene Identität nach außen zu kehren. Die Studierenden entwerfen und basteln Kostüme, die am Körper getragen gleichzeitig Instrumente sind. Mit Choreografie und Kostümen soll in der Gruppe ein rhythmisches, lärmendes Werk entstehen, das eine eigene Geschichte erzählt.
Ziel ist, bei der Abschlussveranstaltung am 24. Oktober 2013 um 15 Uhr hinter dem Hauptgebäude der Universität, eine beeindruckende und ohrenbetäubende Performance hinzulegen. Professor Rudolf hat hohe Erwartungen: »wohltemperierte 120 Dezibel!«
Am Mittwochvormittag versammelten sich die Architektur-Erstis bereits zu ihrer zweiten Zeichenübung, diesmal am Goethe- und Schiller-Archiv. Unter dem Motto »Die Dächer der Stadt« skizzieren die Studierenden den Ausblick auf das Schloss und die Altstadt Weimars - Kälte und trübem Wetter zum Trotz.
Für die Besucherinnen und Besucher des Archivs hat sich ein ungewöhnlicher Anblick geboten: Auf dem Aussichtsplatz tummeln sich zahlreiche angehende Architekten auf der Suche nach der perfekten Aussicht. Einige sitzen bereits auf Bänken, Klapphockern und Bierkästen und versuchen, ihren Blick auf Weimar möglichst realitätsgetreu zu Papier zu bringen. Am Tag zuvor haben sich die Studierenden dem Thema »Die Stadt in der Landschaft« gewidmet. Das Schloss Belvedere war mit seinem einmaligen Ausblick auf Weimar und Umgebung prädestiniert für diese Übung.
Ziel der Zeichenaufgabe ist, sich der Architektur im wahrsten Sinne des Wortes zu nähern. Der Blick soll sowohl für das große Ganze als auch für das Detail geschärft werden. »Die besondere Schwierigkeit dabei ist, einen fließenden Übergang zwischen dem körperhaften Vordergrund und dem musterhaften Hintergrund zu finden«, betonte Professor Andreas Kästner, der am Montag in die Darstellungsmethodik einführte.
Wer die Tage durch Weimars Altstadt bummelt, dem sind sie sicher schon aufgefallen: Junge Studierende, die mit ihren Zeichenblöcken an Häuserecken und in kopfsteingepflasterten Gässchen sitzen und mit konzentriertem Blick Gebäude und Atmosphäre erfassen.
Ob am Wittumspalais, vor dem Hababusch-Haus oder gegenüber der Pizzeria Da Antonio, einzeln oder in Kleingruppen, die Architektur-Erstsemester sind kaum zu übersehen. Und die Weimarer freuen sich: Neugierige Passanten schauen ihnen gerne mal über die Schulter und sind verblüfft über manches Zeichentalent. Hanna Aschenbach, eine der Seminarleiterinnen, berichtet: »Ich wurde schon gefragt, wann man endlich mal wieder die Studierenden auf der Straße zeichnen sieht. Da gibt es immer was zu staunen!«
Es gilt das Motto: vom Groben zum Feinen. Am Anfang der Woche haben sich die Studierenden bei ihren Zeichenübungen noch auf die Wahrnehmung der Stadt in der Landschaft konzentriert. Danach näherten sie sich mit dem Blick auf Weimars Dächer langsam der Stadt. Jetzt sind die angehenden Architektinnen und Architekten mitten in der Altstadt angekommen. Die Konzentration liegt mehr und mehr auf den Details: vom Dachgiebel über die Fassade bis zum Straßenpflaster.
Alle Zeichnungen, die die Studierenden diese Woche anfertigen, sind Teil einer Mappe, die am Ende der Einführungswoche abgegeben wird. Für den Feinschliff bleibt nicht mehr viel Zeit, denn die nächste Woche steht ganz im Zeichen des »Architektromms«.
Mit einer vollen To-Do-Liste starten die Architektur Erstsemester in den zweiten Teil ihrer Einführungswochen, in der das »Architektromm« erschaffen werden soll. Nur noch vier Tage bis zur großen Präsentation und die Vorbereitungen laufen in vollem Gange. Bereits Ende letzter Woche haben die Studierenden erste Konzept- und Designentwürfe abgegeben. Jetzt geht es an die Umsetzung: In kleinen Teams widmen sie sich den Bereichen Instrument, Kostüm, Story und Rhythmus. Die Interaktion zwischen den Untergruppen stellt dabei eine besondere Herausforderung dar. Die geplante Choreographie muss mit der Story vereinbar sein, die wiederum mit Klang und Geräuschen und diese sind abhängig vom Material der Kostüme und Instrumente.
Die Studierenden der Seminargruppe B schaffen ein Architektromm, dessen Kostüm ein wenig an eine Rüstung erinnert. 30 dieser »Kleidungsstücke« entstehen in diesen Tagen in der Architektur-Werkstatt, dazu Trommeln und Pfeifen – alles aus etwa 1000 blauen und orangenen Plastikröhren. Bis vor wenigen Stunden lief alles nach Plan. Dann aber eine niederschmetternde Nachricht: Das ursprüngliche Konzept kann wegen einer überraschenden Änderung des Präsentationsortes nicht umgesetzt werden. Um gleiche Voraussetzungen für jede Gruppen zu schaffen, sollen alle Performances hinter dem Hauptgebäude stattfinden. Für die Studierenden bedeutet das, sämtliche Ideen noch einmal zu überarbeiten und damit fast wieder von vorne anzufangen. »Ich kann den Frust der Gruppe gerade sehr gut verstehen«, sagt Seminarleiterin Luise Nerlich, die den Standortwechsel verkünden musste. »Andererseits ist es auch ein typisches Phänomen des Entwerfens und unseres Berufs. Man muss flexibel sein und sich immer wieder neuen Rahmenbedingungen anpassen können.« Zum Glück bleiben noch ein paar Tage für die Umgestaltung des Konzepts.
Mit strahlendem Sonnenschein starteten die Studierenden in den vorletzten Tag vor der großen Präsentation. Der Ärger über den Standortwechsel war zwar noch nicht ganz vergessen, aber die Stimmung in Gruppe B wieder wesentlich ausgelassener. Man konzentrierte sich nun voll und ganz auf die überarbeitete Version des Konzepts, das noch am Vorabend nach intensiven Diskussionen entstanden war.
Zur besseren Koordination der letzten Arbeitsschritte erstellten die Studierenden am Vormittag einen Bauablaufplan, um abzuschätzen, welcher Prozess wie lange dauert, wer Verantwortung für welchen Teilprozess übernimmt und was vor- und nachgelagerte Aufgaben sind – auch das eine wichtige Erfahrung in der Vorbereitung auf den späteren Beruf als Architekt.
Am Nachmittag ging es dann zur ersten Stellprobe hinter das Hauptgebäude – natürlich zur Freude der Besucher des Bauhaus.Ateliers, die in der Sonne ihren Kaffee genossen und sich nebenbei einen Eindruck von der Choreographie machen konnten. Kostüme und Instrumente gab es leider noch nicht zu sehen. Wer aber suchte, fand hinter den Werkstätten schon einige fertige Exemplare. Nichtsdestotrotz ist die Produktion noch nicht abgeschlossen. Es gibt es noch einige Ringe zu sägen und so manche Flöte zu bauen. Danach kann es aber endlich losgehen!
Dass es endlich so weit war, ließ sich schon mittags in der Mensa erahnen. Bunt geschminkte und seltsam gekleidete Studierende tummelten sich in den Schlangen der Essensausgabe – eine letzte Stärkung vor der großen Performance. Pünktlich um 15:00 Uhr war der Andrang hinter dem Hauptgebäude groß. Zu den Darstellern in ihren farbenfrohen Kostümen gesellten sich zahlreiche Zuschauer, darunter viele ältere Architektur Semester, die die Präsentation »ihrer Erstis« nicht verpassen wollten.
Dekan Professor Bernd Rudolf eröffnete die Veranstaltung, indem er die Studierenden noch einmal darauf einschwor, das zarte Fabelwesen Architektromm endlich mit Tänzen und mitreißenden Rhythmen zu befreien. Und wie es befreit wurde! Mit knallbunten Kostümen, Trommeln, Flöten, Hölzern, Hämmern und Hüten kam es zu einer klangvollen Wiedergeburt des Architektromms.
Seminargruppe B, die noch am Vortag fleißig orangene und blaue Ringe gesägt hatte, startete mit ihrer Performance und beeindruckte vor allem durch selbst gebastelte Flöten, ausgefallenen Kopfschmuck und spezielle Schuhe. Die Studierenden hatten Plastikröhren halbiert und sich diese an ihre Füße gebunden, um durch Stampfen eine lärmende Choreographie zu erzeugen. Die nächste Gruppe kam futuristisch daher: Mit silbern angesprühten Pappkostümen, aufgeblasenen Mülltüten und knallbunten Luftballons machte auch sie ordentlich Krach. Das dritte Team fiel vor allem durch die Vielseitigkeit an Instrumenten und Materialien auf. Die Studierenden tanzten und musizierten in Kostümen aus Plastik, Papier, Holz, Gummi und Metall, darunter auch recycelte Materialien wie Flaschen oder Dosen. Etwas dezenter, aber nicht weniger laut kam die vierte Gruppe daher. Sie präsentierte eine Roboter-artige Choreographie mit weißer Pappe und Metall. Jede Performance für sich ein kleines Kunstwerk.
Abschließendes Highlight war der gemeinsame Trommelwirbel aller Darsteller. Ob im Mülltüten-Kostüm, vom anderen Planeten oder mit Kronkorkenrock – am Ende gab es nur noch einen großen bunten Haufen tanzender und musizierender Menschen, die offensichtlich das Architektromm in sich befreit haben. Und was die Lautstärke angeht, so waren das zum Schluss sicher mehr als 120 Dezibel. Professor Rudolf kann also zufrieden sein. Challenge completed – jetzt kann das Studium richtig losgehen!
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