Als eine international hervorragend vernetzte Universität bietet die Bauhaus-Universität Weimar ihren Studierenden viele Möglichkeiten, im Ausland an Projekten teilzunehmen und diese mitzugestalten. Bordercity ist eines dieser Projekte. Ingenieure, Urbanisten und Künstler arbeiten darin gemeinsam mit Studierenden der University of California, San Diego, (UCSD) an Lösungsansätzen für die Region des amerikanisch-mexikanischen Grenzflusses Tijuana River.
Ausgangspunkt des Projektes ist die Grenze als Phänomen und Störung einer alten Kulturlandschaft und die resultierende Vielzahl an kommunikativen, ökologischen, urbanistischen und städteplanerischen Problemen. Neben den umwelttechnischen Problemen der Wasserqualität und Abfallentsorgung wurde auch der Kontrast zwischen Armut und Reichtum auf beiden Seiten der Grenze thematisiert und intensiv diskutiert.
Eine Woche lang war ein 15-köpfiges interdisziplinäres Studierendenteam im November 2013 in Südwest-Kalifornien vor Ort, um sich ein Bild von den komplexen Rahmenbedingungen zu machen. David Fritzsch, Student der Umweltingenieurwissenschaften, war bei der »Fact Finding Mission« in der Metropolregion San Diego-Tijuana dabei und berichtet von seinen Eindrücken auf dieser außergewöhnlich intensiven Exkursion im Spannungsfeld zwischen Betonwüste und Pazifischem Ozean, Gated Communities und Informal Settlements.
Unterstützt wird das Projekt vom DAAD-Programm »Strategische Partnerschaften im Spannungsfeld Kunst.Design.Wissenschaft«, mit dem die Bauhaus-Universität Weimar 2013 gefördert wurde, um ausgewählte internationale Partnerschaften weiter auszubauen. Betreut haben die Studierenden bei ihrer Arbeit Prof. Liz Bachhuber (Freie Kunst), Prof. Dr. phil. Frank Eckardt (Professur Sozialwissenschaftliche Stadtforschung), Prof. Dr.-Ing. Eckhard Kraft (Professur Biotechnologie in der Ressourcenwirtschaft) und Prof. Dr.-Ing. Jörg Londong (Professur Siedlungswasserwirtschaft).
Student David Fritzsch hat seine Eindrücke der Bordercity-Exkursion in einem Reisetagebuch dokumentiert. Er entdeckte unter anderem einen amerikanischen Kleinkindroboter und fand in Tijuana die passende mexikanische Antwort darauf: »La Mona« - eine 18 Tonnen schwere, bewohnte Akt-Skulptur.
7. November: Die Anreise aus Deutschland erfolgte individuell und bot uns die Möglichkeit, auf eigene Faust das Land zu entdecken. Ich habe mich mit zwei Kommilitonen in Los Angeles getroffen. Andere Teilnehmer waren für einen Sprachkurs in Mexiko oder haben Freunde in New York bzw. San Francisco besucht. Bei 30 Grad und Smog wurde uns das Sightseeing zuletzt fast schon zu anstrengend, so dass wir uns am Venice "Muscle" Beach erholen mussten. Wir waren aber auch in Santa Monica, Hollywood und in Downtown LA und haben das MOCA und die Disney Concert Hall bestaunt.
8. November: Mit dem Surfliner ging es weiter nach San Diego. Dies ist eine von drei Zugverbindungen in Kalifornien und sie verläuft malerisch entlang der Pazifikküste. Der Komfort war angenehm und es gab kostenlos WLan, dennoch: Alternativen zum Auto sind kaum vorhanden. Der öffentliche Personennahverkehr ist rudimentär und wird wirklich nur von denen genutzt, die sich kein Auto leisten können. In Los Angeles und auch in San Diego haben wir für eine 15-minütige Autostrecke zwischen 1,5 und zwei Stunden mit dem Bus gebraucht! Also hieß es umsatteln: Für die Zeit des Workshops standen uns dann Mietwagen zur Verfügung.
9. November: Der erste Workshoptag. Wir sind um 13 Uhr mit den Professoren Teddy Cruz und Fonna Forman im Visual Arts Studio in der Jacobs School of Engineering verabredet. Insgesamt sieben Tage dauert der Workshop. An vier Tagen finden Vorträge und Diskussionen statt. Die restlichen drei Tage besichtigen wir relevante Orte in San Diego und Tijuana. Die Professoren sind begeistert von unserem Weimarer Team. Genau das ist ihr Ziel an der UCSD wie auch in der Region: Interdisziplinarität und Wissenstransfer.
9. November: Margarita Garcia ist eine Absolventin der Bauhaus-Universität Weimar (Professor Bachhuber). Da sie gerade in San Diego lebt, beteiligt sie sich am Workshop und lädt alle Teilnehmer zum Abendessen bei ihren Eltern ein. Das besondere daran: ihre Eltern wohnen in einer der teuersten Gated Communities der Vereinigten Staaten - der »Fairbanks Ranch«. Von der Gastfreundschaft der Familie Garcia sind alle sehr begeistert. Herzlichen Dank! Extremer kann der Kontrast allerdings nicht sein - nur 70 km südlich der Luxusvillen befindet sich die Informelle Siedlung Los Laureles Canyon in Tijuana, eine Elendssiedlung, die wir am nächsten Tag besuchen werden.
10. November: Die Idee für die 60-Miles-of-Transborder-Conflict-Tour ist entstanden aus einer Fotodokumentation von Prof. Teddy Cruz entlang einer rechtwinklig zur Grenze gedachten Linie. Sie dokumentiert sehr eindrucksvoll die Probleme und Konflikte der Region und das Wirkungsfeld unserer Workshoppartner an der UCSD. Auf der amerikanischen Seite bekommen wir die Kehrseite des amerikanischen Traums gezeigt: gebändigte Natur und kanalisierte Flüsse, gigantische Einkaufszentren und Autobahnen, Unmengen an Blech und Beton. Professor Cruz dazu: »Eine Öl-hungrige, egoistische Urbanisation welche durch massives Planieren der Umwelt ihre Identität zerstört.«
10. November: Zwischen den USA und Mexiko befindet sich die weltweit am häufigsten überquerte Grenze. Der Grenzübergang San Ysidro, der San Diego und Tijuana verbindet, wird jährlich von 40 Millionen Personen und 14 Millionen Fahrzeugen überquert. Der Grenzübergang ist oft überlastet, vor allem in Richtung USA. Mittags kommen wir sehr schnell zu Fuß nach Mexiko. Am Abend warten wir dann aber ganze drei Stunden zu 15. in unserem Zwölf-Personen-Bus auf die Passkontrolle und Einreise in die USA. Alle weiteren Grenzübergänge während des Workshops erledigen wir dann ohne Auto.
10. November: Jahrzehntelang war Tijuana die Lasterhöhle für US-Touristen. Doch im Zuge des zollfreien Handels und der Entstehung unzähliger Maquiladoras (Montagefabriken) hat sich Tijuana zu einer der reichsten Städte Mexikos entwickelt - nur versteckt sich dieser Reichtum hinter hohen Mauern. Das, was wir zu sehen bekommen, sind Überbevölkerung, Armut, Umweltverschmutzung und billige Schnäppchen für Touristen: Alkohol, Arzneimittel und Nippes. Trotz allem überzeugt die Stadt mit südlichem Temperament, bunter Kreativität und Improvisationstalent.
11. und 12. November: Am dritten und vierten Workshoptag hören wir Vorträge von Professoren der UCSD und Vorträge von Studenten beider Universitäten. Inhaltlich erfahren wir weitere Details zur Problematik und lernen Kunst-Projekte kennen. Bemerkenswert fand ich, dass die Kumeyaay für tausende Jahre bis 1769 das einzige in der Grenzregion siedelnde Volk waren und dass Kalifornien erst seit 1848 nicht mehr zu Mexiko gehört.
11. und 12. November: Begleitend zu den Vorträgen gibt es mehrere Exkursionen an der UCSD. So konnten wir uns einen Eindruck von der 1960 gegründeten Hochschule machen. Immerhin wurde sie durch das Magazin Newsweek zum aufregendsten Ort für Naturwissenschaften in den USA gekürt. Neben der Geisel-Bibliothek und dem Salk Institut gibt es ein Supercomputercenter sowie das Scripps Institution of Oceanography. Besonders beeindruckend aber ist ein Besuch im California Institute for Telecommunications and Information Technology - das Calit2. Hier sehen wir den unheimlich realistischen Kleinkindroboter »Diego-san«, einen Superbildschirm und einen 360-Grad-3D-Monitor.
Exkurs San Diego: Die Südkalifornische Stadt ist mit 1,3 Millionen Einwohnern etwas kleiner als Tijuana. Berühmt ist San Diego wegen des ganzjährig milden Klimas aber auch als größte Marinemilitärbasis der USA. Daneben sind die Telekommunikations- und die Biotechnologieindustrie die wichtigsten Industriezweige aber auch die erneuerbaren Energien schaffen immer mehr Arbeitsplätze. Noch etwas zu unserer Unterkunft: Kommunikationsfördernd haben wir zu acht in vier Doppelstockbetten mit einem Bad in einem kleinen viktorianischen Häuschen in Little Italy gleich an der Highway-Ausfahrt sehr komfortabel gewohnt.
13. und 14. November: An zwei weiteren Tagen gehen wir zu Fuß über die Grenze und fahren mit dem Bus zu aktuellen Projekten in Tijuana. Unsere Guides sind Mitarbeiter der UCSD und der in Tijuana tätigen und ansässigen gemeinnützigen Organisationen Alter Terra, Calidad de Vida und 4Walls International. Wir bekommen einen sehr persönlichen und detaillierten Einblick. Ein Zitat des ehemaligen mexikanischen Präsidenten Díaz ist mir von diesen zwei Tagen besonders in Erinnerung geblieben: »Poor Tijuana, so far from god and so close to the US.«
15. November: Intensive Eindrücke aber auch die aufgezeigten Probleme in San Diego und Tijuana sorgten durchweg für lebhafte Diskussionen unter den Teilnehmern. Ihre Ideenskizzen und Überlegungen stellen die Studierenden der Bauhaus-Universität Weimar am letzten Workshoptag vor. Neben technischen Ansätzen der Umweltingenieure gibt es unter anderem Präsentationen von Mareike Hornof, Yann Colona und Lisa Glauer zu ihren Projekten. Nach einer Auswertung und Zusammenfassung des Workshops bedankt sich das Team der UCSD sehr herzlich für den Austausch und freut sich auf die Vertiefung der Zusammenarbeit und das Wiedersehen in Weimar im Frühjahr 2014.
Ich möchte im Namen aller Teilnehmer dem DAAD, den Organisatoren an der UCSD und an der Bauhaus-Universität Weimar sowie den beteiligten Professoren und Studierenden für diese beispielhafte und inspirierende Zusammenarbeit danken! Die Situation vor Ort wurde uns eingängig präsentiert und im Verlauf des Workshops intensiv diskutiert. Es war ein erstes Kennenlernen in einer sehr spannenden und sicherlich noch lang andauernden Hochschulpartnerschaft zwischen San Diego und Weimar. Bei der Weiterentwicklung wünsche ich viel Erfolg! David Fritzsch
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