Im Rahmen des bundesweiten Digitaltags sowie der Woche des Wasserstoffs fand in Weimar ein zweitägiger Praxisworkshop für Fachleute aus Wissenschaft, Verwaltung und Praxis statt, um zentrale Zukunftsthemen des öffentlichen Verkehrs (ÖV) zu diskutieren: Digitalisierung und alternative Antriebe.
Tag 1: Digitalisierung im öffentlichen Verkehr
Digitalisierung als Schlüssel zur Nutzerfreundlichkeit und Effizienz
Ein zentrales Thema war die Frage, wie digitale Technologien den ÖV nutzerfreundlicher, effizienter und inklusiver gestalten können. Denn neben den grundsätzlichen Anforderungen an den ÖV wie die Verlässlichkeit, hohe Taktung und ein flächendeckendes Angebot, setzt sich nach Meinung der Teilnehmenden, bei Nutzer:innen von Mobilitätsangeboten zunehmend die Anforderung durch, anbieterübergreifend und multimodal mobil zu sein und Reiseinformationen wie Auslastung und Verspätungen zentral und in Echtzeit abzurufen.
Angesichts des technischen Fortschritts sind ÖV-Unternehmen kontinuierlich angehalten den Mehrwert neuer Technologien für den effektiven Betrieb abzuwägen. Die Potentiale für den ÖV – von datengestütztem Flottenmanagement, automatisierter Kundenkommunikation und Bedarfsermittlung für die Linienplanung – sind offenbar.
Governance im Verkehr: Digitalisierung im föderalen Kontext
Eine flächendeckende Digitalisierung in einem komplexen und kleinteiligen ÖV-Ökosystem ist hierbei als zentrale Herausforderung zu nennen. Unterschiedliche Zuständigkeiten, variierende personelle und finanzielle Ressourcen und fragmentierte Projekte erschweren eine koordinierte Umsetzung. Folglich zielte ein Workshop im Rahmen der Zukunftswerkstatt darauf ab, erfolgreiche digitale Lösungen im ÖV daraufhin zu analysieren, welche Akteure, technischen Voraussetzungen und sozialen Bedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung notwendig sind. Anwendungsfälle reichten vom betrieblichen Mobilitätsmanagement, über Auslastungsanalysen bis hin zu Anwendungen wie der multimodalen App Jelbi in Berlin. Die Teilnehmenden betonten die Notwendigkeit, Digitalisierungsvorhaben in (neuen) Allianzen anzugehen – etwa auf Ebene von Verkehrsverbünden oder Landesregierungen – um Synergien zu heben und Ressourcen effizient zu nutzen. Die Bedeutung von standardisierten oder Regionen-übergreifenden digitalen Lösungen wurde auch in den zwei Impulsvorträgen, zu Mobilitätsdatenportalen und Mobilitäts-Apps, deutlich.
Datenökonomie, KI und Large Language Models im ÖV
Klar ist, dass sich Digitalkompetenz auch zunehmend im ÖV als Schlüsselkompetenz für strategische Entscheidungen oder im Verkehrsbetrieb herausbildet. Entsprechend wurden in einem weiteren Workshop Werkzeuge generativer KI erprobt, wie ChatGPT, Sora oder LuvVoice, welche bei der Erstellung von Störungstexten, Tarifberatung oder der multimedialen Kundeninformation perspektivisch immer mehr an Bedeutung zugewinnen werden. Die Nutzung solcher Technologien in Verbindung mit verkehrsrelevanten Informationen, erfordert neben der fachlichen Kompetenz auch entsprechende technische Infrastruktur zur Speicherung, Verknüpfung und Verarbeitung von Daten, sondern auch menschliche Qualitätskontrolle.
Autonomes Fahren: Von der Vision zur Praxis in Deutschland
Während in den USA bereits Level-4-Fahrzeuge als Taxen im Einsatz sind, versucht Deutschland mit den Moia-Sammeltaxen in Hamburg weitere Erfahrungen im Verbund von Kommunen, Automobilherstellern und Software-Firmen zu sammeln, um in Europa weiter Anschluss an das Thema Autonomes Fahren zu halten. Gleichwohl die Technik unter Expert:innen mit Blick auf die Verkehrssicherheit in den USA als gut befunden wird, müssen autonome Fahrzeuge auch für den europäischen Stadtraum gewappnet werden – also beispielsweise besondere Fahrsituationen mit hohen Radverkehrsaufkommen bewältigen können. Wenngleich mögliche Einsatzbereiche im ÖV attraktiv zu sein scheinen, etwa bei First- und Last mile-Services, muss klar sein, dass der Einsatz von Robotaxen das Grundgerüst eines getakteten Linienverkehrs sowohl in den größeren Städten als auch in den ländlichen Räumen nicht ersetzen, sondern ergänzen wird, so Prof. Plank-Wiedenbeck, Gastgeber und Professurinhaber der Verkehrssystemplanung an der Bauhaus-Universität Weimar.
Am zweiten Tag lag der Fokus auf der Antriebswende im ÖV – mit besonderem Augenmerk auf Wasserstofftechnologien. Bereits in den Vorträgen am Vormittag wurde klar: Der Transformationsprozess ist im Gange, aber komplex.
Realitätscheck: Wasserstoff als Antriebstechnologie
Aus dem Projekt h2-well Markthub wurden die Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage unter Verkehrsunternehmen vorgestellt, bei der die zukünftig erwartbaren Antriebstechnologien für Busflotten im Fokus standen. Dabei wurde deutlich, dass Wasserstoff von vielen Unternehmen als relevantes Element zur Dekarbonisierung eingeschätzt wird. Dennoch gab die Mehrheit der Befragten an, künftig vorrangig auf batterieelektrische Busse setzen zu wollen. Im Rahmen von Workshops wurden die strategischen als auch betrieblichen Vorteile von Brennstoffzellenbussen deutlich – insbesondere hinsichtlich Reichweite, kurzer Betankungszeiten und geringerem Platzbedarf auf dem Betriebshof.
Stromnetz als Flaschenhals für batterieelektrische Busflotten
Ein zentrales Argument aus Unternehmenssicht war die Unabhängigkeit vom Stromnetz. Denn Ladeinfrastruktur ist nur mit einem leistungsfähigen Netzanschluss möglich – dieser ist jedoch vielerorts nicht verfügbar, und der notwendige Netzausbau kann bis zu zehn Jahre dauern. Wasserstoff stellt hier eine deutlich schneller realisierbare Alternative dar, die zudem unabhängig von weiteren Infrastrukturanbietern funktioniert. Hinzu kommt: Zur Stabilisierung des Stromnetzes wird Wasserstoff künftig vermehrt dezentral erzeugt werden müssen – lokale Abnehmer wie Verkehrsbetriebe bieten sich hierfür ideal an. Dass der Wasserstoffbedarf des ÖPNV im Vergleich zu industriellen Großverbrauchern eher gering ist, konnten die Teilnehmenden im anschließenden Workshop selbst nachvollziehen.
Vom Rohstoffimport zur Implementierung vor Ort
Woher die Rohstoffe für die Antriebswende kommen, konnte im Kontext des Projekts TraSAs gemeinsam mit den Teilnehmenden diskutiert werden. Im Fokus stand die Frage nach dem Import von Wasserstoff und Lithium aus Südamerika und wie eine sozialökologische Transformation auch in den Exportländern gelingen kann, um historische Ungleichheiten und koloniale Strukturen nicht zu reproduzieren.
Auch die technische Dimension der Wasserstoffinfrastruktur wurde reflektiert: Unter Leitung des h2-well Strategie-Teams wurde erörtert, wie H₂-Infrastrukturen intelligent geplant und dimensioniert werden können – sowohl wirtschaftlich als auch technisch nachhaltig. Vorgestellt wurden hierbei auch verschiedene Planungswerkzeuge, die Verkehrsunternehmen konkret bei der Umsetzung unterstützen können.
Einblicke aus der Praxis: SWG Weimar
Die Stadtwirtschaft Weimar GmbH (SWG) gewährte Teilnehmenden in einer Führung über den Betriebshof einen Einblick in die bereits realisierte Wasserstoffinfrastruktur – inklusive Betankungsanlage, eingesetzten Wasserstoffbrennstoffzellenbussen und einer voll ausgestatteten H₂-Werkstatt. Die bisherigen Erfahrungen der SWG mit der Technologie lassen sich durchaus als Erfolgsgeschichte beschreiben: Die Fahrzeuge laufen sehr zuverlässig – auch im Winter – und auch das Fahrpersonal ist von den Fahreigenschaften überzeugt. Noch in diesem Jahr sollen sechs weitere Wasserstoffbusse des Mobilitätsbetreibers in Betrieb genommen werden. Die Stadtwirtschaft macht eindrücklich vor, wie klimafreundlicher ÖV praktisch umgesetzt werden kann.
Die Diskussionen und anwendungsnahen Einblicke haben verdeutlicht, dass ein technologieoffener Ansatz bei der Antriebswende entscheidend ist. Wasserstoff wird dabei nicht die einzige Lösung, aber in vielen Fällen eine unverzichtbare Option sein.
Fazit: Eine Zukunftswerkstatt mit Wirkung
Die Zukunftswerkstatt hat gezeigt: Digitalisierung und Dekarbonisierung sind zentrale Herausforderungen, aber auch wesentliche Hebel für die Mobilitätswende im öffentlichen Verkehr. Dabei wurde deutlich, dass beide Themen ganzheitlich gedacht werden müssen. Der intensive Austausch in Vorträgen und Workshops hat nicht nur zur Wissensvermittlung beigetragen, sondern auch die Relevanz der Themen auf allen Seiten geschärft. Der Austausch zwischen Wissenschaft, Praxis und Verwaltung bleibt ein wichtiger Schritt, um gemeinsame Strategien zu entwickeln und neue Allianzen zu schmieden.
Die Zukunftswerkstatt ÖV wurde ausgerichtet von der Bauhaus-Universität Weimar, Professur Verkehrssystemplanung als Partner des European Digital Innovation Hub Thuringia und Partner im h2-well-Verbund in Kooperation mit der Bauhaus-Universität Weimar, Professur Energiesysteme, der Stadtwirtschaft Weimar GmbH, der Friedrich-Schiller-Universität Jena, acatech - Akademie der Technikwissenschaften, Steinbeis Mediation, We Love Apps und highQ.
Wir danken allen Teilnehmenden, Mitwirkenden und Partnern für zwei inspirierende Tage – und freuen uns auf die Fortsetzung der Gespräche!
Text: Alexandra Hunger, Professur Verkehrssystemplanung
Wechsel zwischen Farb- und Schwarz-Weiß-Ansicht
Kontrastansicht aktiv
Kontrastansicht nicht aktiv
Wechsel der Hintergrundfarbe von Weiß zu Schwarz
Darkmode aktiv
Darkmode nicht aktiv
Fokussierte Elemente werden schwarz hinterlegt und so visuell hervorgehoben.
Feedback aktiv
Feedback nicht aktiv
Beendet Animationen auf der Website
Animationen aktiv
Animationen nicht aktiv