Europäische Urbanistik (IPP-EU)

Vertreibende Hilfe: Zum strategischen Umgang mit Wohnungs-/Obdachlosigkeit in drei deutschen Großstädten

Sandra Schindlauer

Arbeitslosigkeit, Armut und die daraus resultierende Wohnungs-/Obdachlosigkeit sind globale und interkulturelle Phänomene. Mit der weltweit steigenden Ungleichverteilung von Ressourcen weitet sich auch die Kluft zwischen Arm und Reich. Die Verschärfung dieser Problematik und die Gewissheit, dass es sich dabei um kein vorübergehendes Phänomen handelt, ist eines der Resultate der aktuellen Wirtschaftskrisen in US-Amerika und der Europäischen Union.

Vor diesem Hintergrund werden zukünftig auch die Zahlen obdach-/wohnungsloser Menschen ansteigen. Als Kristallisationspunkte sozialer Missstände stellt diese Tatsache insbesondere Großstädte vor neue Herausforderungen: Beginnend bei den steigenden Kosten für Versorgungsstrukturen, über Imageprobleme, bis hin zu stadtstrukturprägenden Prozessen wie ((un-)gewollter) Segregation, Exklusion oder (baulicher) Ausgrenzung.

Im wissenschaftlichen Diskurs über Armut und die Stellung von Randgruppen im städtischen Raum fand die Gruppe der Obdach-/Wohnungslosen in Deutschland auffallend wenig Beachtung. Diese Tatsache überrascht vor allem deshalb, weil Deutschlands konservativ-wohlfahrtsstaatliches Sozial-system eigentlich so konzipiert ist, dass niemand in Armut leben, geschweige denn obdach-/wohnungslos sein muss. Wie also kommt es, dass in deutschen Städten immer mehr Menschen ohne Wohnung bzw. Obdach leben und wie reagieren die Städte auf diese Entwicklung?

Während die Beantwortung des ersten Teils der Fragestellung den strukturellen Rahmen für die Bearbeitung des Promotionsvorhabens bilden soll, wird der eigentliche Fokus auf den verschiedenen Dimensionen des strategischen Umgangs mit Obdach-/Wohnungslosigkeit in deutschen Großstädten liegen. Dazu zählen die konkreten Maßnahmen der zuständigen Ämter und Ordnungsbehörden ebenso, wie die Coping-Strategien der Betroffenen und der Einfluss der Gesellschaft auf die Wahrnehmung der Problematik. Des Weiteren sollen die Funktion und die Rolle des öffentlichen Raumes, im Kontext von Wohnungs-/Obdachlosigkeit und der aktuellen Debatte um Sicherheit in der Stadt, neu überdacht werden. In diesem Zusammenhang sollen auf der empirischen Ebene auch sichtbare Ausdrucksformen der städtischen Strategien im Umgang mit Wohnungs-/Obdachlosigkeit (wie z.B. Abwehrdesigns) decodiert und analysiert werden.

Um ein möglichst vollständiges Bild der Problematik zu erhalten, werden die empirischen Methoden (leitfadengestützte Experteninterviews, teilnehmende Beobachtung und Kartierungen) nach den Prämissen der Triangulation miteinander kombiniert. Besondere Berücksichtigung soll dabei die Lebenswirklichkeit der von Wohnungs-/Obdachlosigkeit betroffenen Menschen finden. Die Herstellung von Kontakten zu wohnungs-/obdachlosen Personen, wird daher ein wesentlicher Bestandteil der empirischen Arbeit sein.

Ziel des Forschungsvorhabens ist die Identifikation, Analyse und Systematisierung verschiedener Strategien im Umgang mit Wohnungs-/Obdachlosigkeit in deutschen Großstädten unter besonderer Berücksichtigung der lebensweltlichen Auswirkungen für die Betroffenen.