Räumliche Planung und politische Herrschaftsformen
Erkundungen zu Geschichte und Gegenwart der Planungsdisziplinen und des Handlungsfeldes der räumlichen Planung
Eine Veranstaltung des Instituts für Europäische Urbanistik, Bauhaus-Universität Weimar, am 24, 25. und 26. Juni 2021 in Weimar
Die Planung von Stadt und Raum geschieht in der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage einer parlamentarischen Demokratie und einer kapitalistischen Marktwirtschaft. Dies gilt auch für viele andere Länder. Deshalb stehen solche gesellschaftspolitischen Verhältnisse im Zentrum unserer wissenschaftlichen und fachpolitischen Praxis. Aber schon der Blick auf weitere europäische Länder macht uns darauf aufmerksam, dass solche Verhältnisse nicht selbstverständlich sind. Wenn wir einen Schritt weiter gehen und den Städtebau und die Siedlungsstrukturen in der heutigen Bundesrepublik und den meisten anderen europäischen Ländern betrachten, werden wir daran erinnert, dass in der Vergangenheit die Verbindung von parlamentarischer Demokratie und kapitalistischer Marktwirtschaft nur eine unter vielen Formen politischer Herrschaft war. Unsere Städte, Landschaften und Regionen tragen noch die Züge anderer, zuweilen ganz anderer Verhältnisse.
Bei der Ausbildung der Fachleute, die in den unterschiedlichen Feldern der räumlichen Planung und Forschung Verantwortung übernehmen werden, wird immer wieder auf die gesellschaftspolitischen Determinanten der Produktion von Städtebau, Region und Territorium verwiesen. Wie sich jene Determinanten – die ja nicht nur das innenpolitische System einschließen, sondern auch ökonomische und kulturelle, demographische, zuweilen gar militärstrategische Bedingungen, um nur einige aufzuzählen – auf die räumliche Planung niederschlagen, wird bestenfalls angedeutet. Dies mag darin eine Erklärung finden, dass die Verbindung von Gesellschaftspolitik und räumlicher Planung wenig systematisch erforscht wird.
Dabei hat die internationale Planning Historiography in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Neueste Publikationen betonen die geographische und kulturelle Vielfalt der räumlichen Planung, ebenso wie die Notwendigkeit, das jeweils Eigene nicht für das Selbstverständliche oder das Allgemeingültige zu halten. Der Zusammenhang zwischen Herrschaftsform und Planung wird allerdings meistens nur im Zusammenhang mit spektakulären Repräsentationsbauten zur tragenden Forschungsfrage. Viel öfter wird räumliche Planung nur aus sich selbst heraus erklärt. Offen bleibt dann die Prägung der Produkte von Planung – etwa Entwürfe, Planwerke und große Entwicklungsprogramme, auch städtebauliche sowie territoriale Strukturen ¬– durch Gesellschaftspolitik. Weniger beleuchtet wird, wie diese Produkte zustande kamen, welche fachlichen und gesellschafts-politischen Konstellationen sie hervorbrachten, wie die planerischen Fachdisziplinen dabei eingesetzt wurden, welchen Absichten räumliche Planung zu folgen oder zu gehorchen hatte, welche Folgen planerische Maßnahmen hatten. Kaum erfahren wir, inwiefern eine Eigenlogik des Faches zum Tragen kam, wie weit sich Fachleute auf ihr Wissen und ihre Verantwortung beriefen, um zu korrigieren oder gar intellektuell und tatkräftig zu opponieren.
Erschwert wird die Suche nach dem Besonderen der Produktion von Stadt und Raum unter bestimmten politischen Herrschaftsformen natürlich durch offensichtliche Synchronien und Konvergenzen der funktionalen Programme, der städte-baulichen Morphologie und der Siedlungsstrukturen, die sich teilweise mit dem Entwicklungsstadium der Industrialisierung und der internationalen Konkurrenz sowie dem lebhaften fachlichen Austausch über alle Grenzen hinweg erklären lassen. Ist es deshalb unerheblich, unter welchen gesellschaftspolitischen Bedingungen geplant wird?
Unsere Tagung verbindet explorative Neugier mit einer induktiven Kasuistik. Wir greifen auf Ergebnisse von Forschungsprojekten – die zum Teil an unserer Universität durchgeführt wurden – zurück, die die räumliche Planung unter sehr unterschiedlichen Herrschaftsformen untersucht haben. Wir befragen auch Verantwortliche für den praktischen Umgang mit den Strukturen und Objekten, die sehr diverse Herrschaftsformen hinterlassen haben. Wir gruppieren die unterschiedlichen Fallstudien nach Epochen und überlassen das Einordnen und Klassifizieren der Diskussion und nachträglicher Reflexion.
Vier Sektionen strukturieren die Tagung. Wir erkunden in einem ersten Schritt das Verhältnis zwischen der räumlichen Planung und den diktatorischen Herrschaftsformen, die sich seit den 1920er Jahren herausbildeten. Die zweite Sektion fragt nach dem Spezifischen der räumlichen Planung in den staatssozialistischen Gesellschaften, die sich im 20. Jahrhundert als Pendant zum Kapitalismus definierten und Jahrzehnte bestanden – eine von ihnen besteht noch. Die dritte Sektion setzt hier an: Der Staatssozialismus brachte städtebauliche wie territoriale Strukturen, produktive wie sozialräumliche Verteilungsmuster sowie ein raum-kulturelles Verständnis hervor, die allesamt nach 1990 unter dem eleganten Namen Transformation in kapitalistische Verhältnisse zurückgeführt wurden und seitdem diverse Praxen und Diskurse räumlicher Entwicklung und räumlicher Entwicklungspolitik zeitigen. Schließlich wenden wir uns in der vierten Sektion der Art und Weise zu, wie unter den sich wandelnden Bedingungen der jeweiligen Vergangenheitspolitik Beispiele des städtebaulichen Erbes behandelt werden, die als explizite Symbole vergangener Herrschaftsformen errichtet wurden.
Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch.
Das Programm wird zeitnah aktualisiert! Sobald dies feststeht wird dies hier veröffentlicht.
Voraussichtliches Programm 2021:
Donnerstag, den 24. Juni
Grußwort Barbara Schönig, Direktorin des Instituts für Europäische Urbanistik;
15.15 Bauhaus-Universität Weimar
Einführung Räumliche Planung und politische Herrschaftsformen
15.30 – Fragen aus einer Weimarer Perspektive Max Welch Guerra, Direktor des Bauhaus-Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur und Planung; Bauhaus-Universität Weimar
Keynote: Städtebau und Diktatur in einer europäischen Perspektive
16.00 Harald Bodenschatz, Center for Metropolitan Studies, TU Berlin
Kaffee
17.00
I
Raumpolitik und Herrschaft um die Mitte des 20. Jahrhunderts
17.30
Kommentar: Eliana Perotti, Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften
19.30
Diskussion
19.45
Freitag, den 25. Juni
II
Räumliche Politik im Staatssozialismus
09.30
Kommentar Arnold Bartetzky, Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur
11.30 des östlichen Europa
Diskussion
11.45
Mittagspause
12.15
III
Postsozialistische Stadt – Räumliche Politik und die Wiedereinführung kapitalistischer Verhältnisse
14.30
Kommentar: Florian Urban, Glasgow School of Art
16.30
Diskussion
16.45
Grußwort Winfried Speitkamp, Präsident der Bauhaus-Universität Weimar
18.00
Keynote: New Tendencies in Planning History
18.15 Carola Hein, Vice-President of International Planning History Society; Delft University of Technology
Sonnabend, den 26. Juni
IV
Herausragende städtebauliche Symbole diktatorischer Herrschaft heute
09.30
Kommentar: Hans-Rudolf Meier, Bauhaus-Universität Weimar
11.00
Diskussion
11.15
Eine erste Bilanz Räumliche Planung und politische Herrschaftsformen
12.00 Max Welch Guerra, Bauhaus-Universität Weimar
Anschließend: fachpolitische Führungen durch Weimar
Unsere Tagung wäre ohne einen Vorlauf an vielfältigen einschlägigen Forschungsaktivitäten an der Bauhaus-Universität Weimar nicht möglich, an denen neben dem Institut für Europäische Urbanistik auch das Bauhaus-Institut für Geschichte und Theorie der Architektur und Planung beteiligt war und ist. Die wichtigsten Forschungsprojekte darunter sind:
Städtebau unter Franco und Salazar, Stadtproduktion iberischer Diktaturen im europäischen Kontext, Bauhaus-Universität Weimar und Technische Universität Berlin,
2014 - 2018; Finanzierung durch Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG
Identität und Erbe, Graduiertenkolleg, Bauhaus-Universität Weimar und Technische Universität Berlin,
2016 - 2021; Finanzierung durch Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG
urbanHIST-History of European Urbanism in the 20th Century, Bauhaus-Universität Weimar BUW (Germany), Blekinge Tekniska Högskola BTH (Sweden), Universidad de Valladolid UVa (Spain) and Univerzita Pavla Jozefa Šafárika v Košiciach UPJŠ (Slovakia),
2016 to 2020; Funding: European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme, (ITN) European Joint Dotorate in the Marie Skłodowska-Curie Actions
Stadtwende. Stadterneuerung am Wendepunkt – die Bedeutung der Bürgerinitiativen gegen den Altstadtverfall für die Wende in der DDR, Bauhaus-Universität Weimar, Universität Kassel, Technische Universität Kaiserslautern, IRS-Leibniz Institut für raumbezogene Raumforschung, Erkner; Technische Universität Kaiserlautern,
2019 - 2022; Finanzierung durch Bundesministerium für Bildung und Forschung
Programm als PDF
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