Beschreibung |
Venedig, Inbegriff der amphibischen Stadt, ist immer als technische und urbanistische Meisterleistung bewundert worden. In seiner morphologischen Beharrungskraft hat es sich scheinbar gegenüber der Moderne verschlossen. Gerade deshalb wurde es zu einem wirkungsmächtigen Gegenbild der modernen Stadt. Durch sein fundamentales Anderssein fordert Venedig seit 200 Jahren zum Nachdenken über Perspektiven und Alternativen der zeitgenössischen Praxis heraus.
Das Seminar untersucht Begegnungen und Wechselwirkungen zwischen dem Erfahrungsschatz der Lagunenstadt und der architektonischen Kultur der Moderne. Dabei wird ein doppelter Schwerpunkt gesetzt. Einerseits gilt es, die historischen Bauprinzipien Venedigs herauszuarbeiten. Das Interesse richtet sich auf die Methoden der Landgewinnung, die Verkehrssysteme, die Bautypologien, die Phänomene der Raumbildung und die prägenden Einzelbauten – also auf jene Strukturen und Elemente, die der Identität der Stadt Form geben.
Andererseits fragt das Seminar nach der Auseinandersetzung der architektonischen Moderne mit der Lagunenstadt. Diese Auseinandersetzung wird auf zahlreichen Schauplätzen geführt – Architekturtheorie und Entwurfspraxis, Bücher und Bauten, Ausstellungen und Manifeste wurden zu Medien der Reflexion über das Modell Venedig. Der moderne Blick auf die Stadt konkretisiert sich in einer langen Reihe bedeutsamer Episoden, von John Ruskins ‚Stones of Venice‘ zu Le Corbusiers Projekt für ein Krankenhaus im Viertel Cannaregio, von Saverio Muratoris typologischer Bestandsaufnahme der Stadt bis zu den virtuosen Eingriffen Carlo Scarpas. In den Horizont des Seminarthemas gehört nicht zuletzt das Ausstellungsgelände der Giardini mit seinen nationalen Pavillons, wo seit 1980 die Architekturbiennale stattfindet. |