Gastprofessor: Christian Hasucha / Katharina Hohmann

„Öffentliche Interventionen“

Thema: „Mastermind“

Installationen und Interventionen im Stadtraum Weimars
vom 3. bis zum 6. Juli 2003

Studierende des Studiengangs "Kunst in öffentlichen Raum und neue künstlerische Strategien" hatten die Aufgabe, eine überschaubare Situation im öffentlichen Raum von Weimar auszuwählen und hierfür eine Intervention zu entwickeln. Nicht nur das Irritierende des unangekündigt Implantierten, sondern auch sein allmähliches oder plötzliches Erscheinen sowie dessen Rücknahme sollte bewußt gestaltet werden. Darüber hinaus sollten parallele Informationsstrategien und eine indoor-Präsentation erarbeitet werden. Da alle Interventions-Kontexte und -Zeiträume selbstgewählt sind und nicht der Prämisse fußfreundlicher "Rundgang"-Choreographie folgen mussten, sind einige der Arbeiten "nur" als dokumentierende Re-Präsentation präsent. Ob hier Formen gefunden wurden, die die Kunst im Kopf des Betrachters entstehen lassen können, wird jeder "Rundgang"-Besucher selbst entscheiden müssen.

Arten von Interventionen:

  • EREIGNISSE
    Als Ereignis inszenierte, öffentliche Interventionen beziehen Entstehungs- und Beseitigungsvorgänge mit ein, sie werden entweder unmittelbar und offen oder verdeckt und anonym hervorgerufen. Ob und wie sie angekündigt werden, gehört in den künstlerischen Gestaltungsbereich. Die Ereignisse greifen in das Erscheinungsbild, in die Strukturzusammenhänge und in die Mechanismen des Alltagsgeschehens ein und lösen durch Art und Dauer ihrer Präsenz bei den Passanten und Anwohnern konstruktives Befremden aus.

  • IMPLANTATE
    Als urbanes Implantat wird ein öffentlich installierter Fremdkörper bezeichnet, der durch seine Platzierung und Erscheinungsweise eine vorhandene Struktur oder ein öffentliches Environment in beabsichtigter Weise beeinflusst. Wechselwirkungen zwischen Implantat und Umgebung sind offensichtlich und modellhaft.

  • ATTRIBUTIVES
    Als Attributives wird eine Hinzufügung, eine Wegnahme oder eine strukturelle Veränderung innerhalb einer exemplarisch ausgewählten Situation bezeichnet. Das Attributive bezieht sich auf die in einem Funktionszusammenhang befindlichen Objekte und Phänomene und kann sich zur weiteren Umgebung diffus verhalten. Der Modellcharakter kann an der veränderten Situation hermetisch abgelesen werden.

  • VORGABEN
    Interventionistische Vorgaben sind Partizipationsmodelle und bieten öffentliche Handlungsoptionen in Verbindung mit entsprechend präparierten Gegenstands-Konstellationen, Gerätschaften oder Informationsstrukturen. Sie ermöglichen die Erfahrung bzw. Erzeugung und Mitteilung ästhetischer Vorgänge.

Ergebnisse:

Anemone - "Reisekoffer"



Der Koffer bewegt sich von Halle, meiner Heimatstadt nach Kromsdorf, meiner Wahlheimat ohne meine Begleitung aber mit den besten Wünschen auf dem Weg des Vertrauens und der persönlichen Kontakte. Er soll nicht unbedingt auf dem schnellsten Weg zu mir zurück finden, er wird von Hand zu Hand wandern und sich allmählich mit all jenen Dingen, welche die Menschen ihm auf diesem Weg mitgeben füllen. Die Aktion startete am 20.6.2003 und ich habe zunächst zu warten, bis der Koffer wieder bei mir ist. Diese Aktion kreiert eine Informationskette gebildet von Menschen, die in Kontakt miteinander treten.


Beatrice Catanzaro - "Dreizehn Schilder"

13 polierte Messingschildchen sind an unterschiedlichen Stellen in Weimarer Vortsädten angebracht. Sie sind mit Texten graviert, die sich auf unterschiedliche Weise auf die Umgebung beziehen. Ein Müllcontainer, abgeholzte Bäume, Zäune. Es entsteht ein Dialog zwischen mir und den periphären Dingen.


Sylvie Boisseau - "Ohne Leerung - Zum Gedenken der nie abgeschickten Briefe"

Ein Briefkasten aus Beton wird an der Ecke Hegelstraße/Steubenstraße angebracht. An genau diese Stelle hing bis vor kurzem einer der zentralen innerstädtischen gelben Briefkästen der Post. Der neue Briefkasten widmet sich all den Briefen, die, mit großer Leidenschaft geschrieben, dann aber doch nie abgeschickt wurden. Diese können jetzt in den Betonbriefkasten eingeworfen werden. Ein kleines Schild weist die Passanten und Nutzer auf diese neue Funktion hin. Der Briefkasten wird für ein Jahr an dieser Stelle hängen und später samt Inhalt im Museum für Ur- und Frühgeschichte, Weimar ausgestellt werden.
Ort: Hegelstr./Steubenstr.


Julaporn Buakaow - "Nach Hause"

Die Einsamkeit an der ich die erste Zeit meines Hier-Seins litt, ist ganz in meine Zeichnungen eingeflossen. Ich transferiere die Zeichnungen auf Hauswände in der Stadt, sozusagen als Spiegel der Befindlichkeit unserer Gesellschaft. Ich hoffe, meine Arbeit hat die dieselbe Kraft nach aussen zu wirken, wie sie nach innen auf mich selbst gewirkt hat. Eine Zeichnung wird real auf die Wand gezeichnet werden, die andere wird mittels Projektion übertragen und wird daher nur nachts zu sehen sein.
Ort: Geschwister-Scholl-Str. 6 und weitere Flächen rings um die Uni.


Nine Budde - "Stadt als Beute, dafür Bunker"

Mein Haus wird geschlossen; verrammelt und zugemauert. Hier endet das Leben. Schubertstr.12. Nachtaktion: ein Wohnhaus wird für eine Nacht geschlossen (ruiniert). Es bleibt offen, ob Spekulanten oder Autonome hier inszenieren. Es muß nur echt aussehen. Do, 3. Juli - Ort: Schubertstr.12 - Diese Intervention wurde von der Verwalterin des Hauses unterbunden, die bereits zugemauerten Kellerfenster mussten sofort freigeräumt werden.



Tricia Flanagan - "CONTACT ZONE - 'transculturation' "

Eine Installation und Video-Projektion. Eine Serie von mehrsprachigen Texten wird - von außen sichtbar - auf acht in einer Reihe liegenden Fenster des fünften Stocks des Studentenheim am Jakobsplan projiziert. Die nächtliche Projektion der Texte steht in Beziehung zur Gegenwart und Unterschiedlichkeit seiner multikulturellen Bewohner. Diese sprachliche Bestandsaufnahme wurde für eine Nacht inszeniert um dann als Film in einer Dauerschleife im Kinoraum gezeigt zu werden.
Ort: Kino Cine-Star, Schützengasse 14, geöffnet zu allen offiziellen Zeiten des Rundgangs.


Heike Jost -"ERLANGEN"



Ein temporäres Büro wird für die Tage des Rundgangs in Weimar eingerichtet. Dort macht ERLANGEN Station. In dem Projekt geht es um Hinterfragung des traditionellen StadtBegriffs jenseits politischer, wirtschaftlicher oder geografischer Grenzen. Überall dort, wo Erlangen "gelebt" wird und sich einzelne Menschen Erlangen mehr als irgend einer anderen Stadt zugehörig fühlen, entsteht eine neues Erlangen. Ich möchte es suchen und mit bildnerischen Mitteln verdeutlichen.
Ort: MFA-Räume hinter dem V-d-V.


Karo Kollwitz - "Das Floß"

Kurz vor der Sternbrücke in der Ilmmitte liegt das 'FloßÕ. Darauf sind Sitzgelegenheiten, ein Tisch sowie auch eine Beleuchtung zu finden. Zu sehen vom Ilmufer und von der Sternbrücke aus, zu betreten nach Durchwaten des Flusses.
Ort: Ilm, Sternbrücke


Jutta Roßgotterer - "SIM-Simphonie"

Einladung zum mobil-phonetischen Konzertgenuss. Aufgeführt wird das kollaborative Stück 'ZeitgeberÕ. Hinweis: Handys dürfen angeschaltet bleiben, die aktivierte Weckfunktion läßt die 30 Handys nach kurzer Zeit des Wartens konzertähnlich tönen. Fr, 4.Juli, 22:00 Uhr - Ort: Keim, Schubertstr. 36


Jörg Schreiber - "Photo Point"

Der Weimar-Besucher bekommt mit 'PointÕ die Möglichkeit, besondere ausgewählte Fotomotive von kultureller sowie historischer Bedeutung von einem eigens dafür vorgesehenen Punkt aus zu fotografieren. Die dafür zu entrichtenden 10 Cent kommen der Restaurierung und Renovierung der Weimarer Sehenswürdigkeiten zu Gute.
Ort: Theaterplatz

Gastprofessor: Christian Hasucha / Katharina Hohmann

„Public Interventions“

Topic: „Mastermind“

Installations and Interventions in the Weimar City Limits
July 3-6, 2003


Sylvie Boisseau - "Ohne Leerung"

Students of the course of studies ÒArt in public space and new artistic strategiesÓ had the assignment of selecting a straightforward situation in the public space of Weimar and developing an intervention for this space. The irritatation of an unannoucned implantation along with a gradual or sudden appearance, as well as their removal, were to be consciously designed. Furthermore, parallel information strategies and an indoor presentation were to be created. Since all intervention contexts and time frames were chosen by the students on their own and were not required to conform to the premises of a pedestrian-friendly ÒRundgangÓ (walking tour) choreography, some of the works are ÒonlyÓ presented as documented re-presentations. The ÒRundgangÓ tour visitor will have to decide for himself whether forms found here can be evoked in the mind of the oberver. In the following, I have briefly outlined the types of interventions that have interested us this summer semester 2003:

  • INCIDENTS
    Staged as an incident, public interventions include emergence and removal procedures; they are either evoked directly and openly, or are hidden and anonymous. If and how they are adverstized belongs to the domain of design. The incidents interfere with the appearance image in their structural contexts and in the mechanisms of the mundane occurrences; through the means and duration of their presence they affect a constructive astonishment on passers-by and residents.

  • IMPLANTS
    As an urban implant, a publicly installed foreign object is often designated, that through its placement and means of appearance a pre-given structure or a public environment in an intended way influences. The effects of changeon the implant and the surroundings are obvious and a prototypical.
  • ATTRIBUTIVES
    In the case of attributives, an implementation, a removal or a structural change is designated within an ememplarily chosen situation. The attributive is related to objects and phenomena in a functional context and can relate diffusely to a wider surrounding. The prototypical character can be read as hermetic in the altered situation.
  • GUIDELINES
    Interventional guidelines are models of participation and offer options for public action in connection to respectively prepared topic-constellations, apparatuses, or information structures. They make the experience and, as the case may be, generation and mediation of aesthetic guidelines possible.

Results:

Anemone - "Travel Suitcase"

The suitcase moves from my hometown, Halle, to Kromsdorf, my chosen home, without my accompaniment but with best wishes on its path of trust and personal contacts. It shouldn't necessarily find the fastest way back to me. It will wander from hand to hand and fill itslelf bit by bit with each and every thing the people give it along its way. The action beings on June 20, 2003, and I then have to wait until the suitcase is back with me. This action creates an information chain made of people who come into contact with each other.


Beatrice Catanzaro - "Thirteen Signs"

Thirteen polished brass signs are brought to different places on the outskirts of Weimar. They are engraved with texts related to this vicinity in various ways. A garbage container, cut-down trees, fences. A dialogue emerges between me and the peripheral things.


Sylvie Boisseau - "Without Emptying - In Memory of the Letters Never Sent"

A concrete mailbox is mounted on the corner of Hegelstraße and Steubenstraße. Until recently, one of the central metropolitan yellow postal service mailboxes was located at this spot. The new mailbox is dedicated to all letters that were written with great passion, but were never sent. These can now be put in the concrete mailbox. A small sign indictes this new function to passers-by and mail box users.The mailbox will remain at this location for a year; later, its entire contents will be exhibited in the Museum für Ur- und Frühgeschichte, Weimar. Location: Hegelstraße/ Steubenstraße



Julaporn Buakaow - "Towards Home"

The loneliness from which I suffered during the early time of my being here totally flowed into my drawings. I transfer the drawings onto house walls in the city as mirrors, so to speak, of the existential orientation of our society. I hope my work has the same power to affect outwardly, as it has affected me internally. The drawings will be transmitted by means of a projection and will therefore only be seen at night. Location: Geschwister-Scholl-Strasse 6 and around the University


Nine Budde - "City as Loot for Bunker"

My house will be closed, barricaded, and walled in. Here is the end of life. Schubertstrasse 12. Night action: a residence is closed for a night (dilapidated). It remains open, if speculators or autonomous stage something here. The only thing is, it must look genuine. Thursday, July 3rd - Location: Schubertstrasse 12 - This intervention was stopped by the administrator of the house, the already closed cellar-windows had to be opened immediately.


Tricia Flanagan - "CONTACT ZONE - 'transculturation' "

An installation and video projection. A series of multilingual texts- visible from outside- are projected onto a row of eight windows on the fifth floor of the student dormitory on am Jakobsplan. The nighttime projection of the texts stands in relationship to the present and the difference of its multicultural residents. These language inventory would be staged for a night so that it may then be shown as a film in a ongoing-continuous loop in the movie theater room.
Location: Kino CineStar (movie theatre), Schützengasse 14, open during all official times of the Rundgang.



Heike Jost - "ERLANGEN"

A temporary office is set up for the day of the Rundgang (Art tour) in Weimar. Erlangen makes a station for itself there.The project has to do with the enquiry of the traditional city terminology beyond political, scientific or geographical boundaries. A new Erlangen emerges everywhere where Erlangen is ÒlivedÓ and individuals feel themselves belonging more there than to some other city. I would like to look for it and clarify it by with pictorial means.
Location: MFA Rooms behind the V-d-V.


Karo Kollwitz - "The Raft"

Right in front of the Sternbrücke (Stern Bridge) in the middle of Ilm Park, there is the ÒraftÓ. There are seats, a table, as well as lighting to be found there. To be seen from the banks of the Ilm and the Sternbrücke, to be entered after wading through the river.
Location: Ilm, Sternbrücke


Jutta Roßgotterer - "SIM-Symphony"

Invitation to mobile-phonetic concert enjoyment. The collaborative piece 'der ZeitgeberÕ is performed. Note: Mobile phones may remain on, their activated alarm function creates a concert of the 30 phone-sounds after a short time of waiting. Friday, July 4th, 22:00 - Location: Keim, Schubertstr. 36


Jörg Schreiber - "Photo Point"

The visitor gets the opportunity with "Photo Point" to photograph selected areas and objects of culturally historical significance from a predetermined point in the city limits of Weimar for equivalent value of 10 cents, thereby contributing to the city's urban renewal.