Seminar Christian Hasucha

„Öffentliche Interventionen“
Workshop Wintersemster 2002/2003

Thema: „Den Einheimischen gewidmet“

Daniel Guischard „Du und die Anderen“

Situationen werden von verschiedener Perspektive aus gelesen. Treffe ich zu ersten Mal auf ein mir unbekanntes Ambiente, so nehme ich es anders wahr als jemand, der dort täglich vorbeikommt oder dort lebt. Eine schärfere Wahrnehmung für die Eigenheiten der Situation hat der Fremdling, während der „Einheimische“ sofort jede Veränderung derselben wahrnimmt.

Wähle eine überschaubare, öffentliche Situation aus. Entwickle hierfür ein Intervention, bei der das subtil Implantierte im Zusammenhang mit dem Vorhandenen irritiert, Fragen aufwirft und auch dessen allmähliches oder plötzliche Eintreten sowie dessen Rücknahme bewußt gestaltet wird. Entwickle parallele Informationsstrategien für unterschiedliche Zielgruppen.


Ergebnisse:

Sylvie Boisseau „Metropolis Weimar“

Vor dem gläsernen Lift zur Tiefgarage Beethovenplatz und vor der Sternbrücke sind Monitorboxen installiert. Sie ähneln in Format, Material und Lackierung den öffentlichen Ticketautomaten der Weimarer Tiefgaragen. Auf dem Monitor, der unter der Sternbrücke aufgestellt ist, sieht man verschiedene Menschengruppen, die mit dem Lift aus dem Untergrund auftauchen.

Auf dem anderen, der auf dem Beethovenplatz steht, sieht man Menschengruppen die auf einornamentales Loch im Pfeiler der Sternbrücke zu marschieren und dort verschwinden.


Tricia Flanagan „O2 - CO2“

Von einem weit ausladenden Baum hängen Atemmasken herab. Durch transparente Schläuche sind sie mit den Zweigen verbunden, und zwar dort, wo die Blätter durch den Prozess der Osmose und der Photosynthese Sauerstoff produzieren. In einiger Entfernung steht ein weiterer Baum, von dessen Zweigen Kopfhörer herunterhängen.

Setzt man diese auf, hört man rhythmische langsame Atemgeräusche. Die Arbeit versteht sich als Angebot, dieses Bild eines metaphorischen Kreislaufes durch Partizipation zu vervollständigen.


Jörg Schreiber „Kreisgrenze“

Entlang einer willkürlich gesetzten Kreislinie von etwa 1 km Durchmesser sind an öffentlichen Straßenmasten kleine Schilder installiert, die auf die Kreisfläche sowie auf deren Mittelpunkt hinweisen. Auch am Kreismittelpunkt, der mit einem roten Punkt und einem Übersichtsplan versehen ist, -Erklärungen wurden bewusst vermieden-erschließt sich eine eventuelle territoriale Bedeutung nicht. Das Exemplarische der kreisförmigen Ein-/Ausgrenzung wird spürbar.


Daniel Guischard „Du und die Anderen“

Ein klarer, oben offener Kubus ist unangekündigt neben einen viel frequentierten Weg nahe dem Goetheschen Gartenhaus gesetzt worden. Zwei gegenüberliegende Durchgangsöffnungen laden ein, quer über die Wiese dorthin zu laufen, im Innern den Schriftzug "du und die anderen" zu entdecken und einen Augenblick zu verweilen.
Im Laufe der nächsten Monate wird hier ein Trampelpfad entstehen, deutlich wahrnehmbar, sobald der Kubus unerwartet wieder verschwunden ist. Der Pfad wird im Frühjahr wieder überwachsen sein.


Jutta Roßgotterer „Public Schoner“

Fünf Straßenlaternen in der Windischenstraße sind in Bodennähe mit Kunstgrasmatten ummantelt. Die Lampenschoner treten in Dialog mit dem spärlich zwischen dem Kopfsteinpflaster grünenden Unkraut.

Auf diese Weise wird das Gleichgewicht zwischen übertriebener und unterlassener Zuwendung gegenüber dem öffentlichen Gut wiederhergestellt. Nachahmer finden in den umliegenden Geschäften Montage-Sets mit Installationshinweisen.


Julaporn Buakaow „Nein, ich kann sie nicht finden“

Nur in einem der sieben rechteckigen Aussparungen, die sich mit 20-metrigem Abstand voneinander im Bürgersteig der Trierstraße befinden, wächst ein Straßenbäumchen. In jedem der anderen unbepflanzten kleinen Bodenflächen prangt ein Betonwort. Zusammen ergeben sie einen rätselhaften Satz: "Nein, ich kann sie nicht finden".


Beatrice Catanzaro „Sprachenzentrum“

Die Besucher finden sich selbst vor einer verschlossen Tür wieder. Das Schild “Sprachenzentrum“ lässt an ein Klassenzimmer denken. Im Vorraum sind an den Wänden entlang Stühle aufgestellt. Durch die verschlossene Tür können die Besucher den “Unterricht“ im Sprachenzentrum mitverfolgen: Er besteht aus einer Kakophonie von onomatopoetischen Tierlauten: Eine Komposition, die aus Interpretationen der Tiergeräusche in verschiedenen Sprachen besteht.

Neben dem Klang bilden Vorstellung und Umdeutung von Raum die zweite Bedeutungsebene: Eine verschlossene Tür mit einem Schild lässt den Besucher Nutzung und Aussehen des Raumes dahinter imaginieren, der Vorraum wird allein durch zwei Stuhlreihen zu einem Warteraum umgedeutet.


Anna Kling „Aufbruch 3“

In grünschimmerndem Abendkleid, anfangs die Schultern noch in weißem Nerzbolero verhüllt, bearbeitet die elegante Frau eine glatte Betonfläche am Wielandplatz mit einem Preßlufthammer. Stück für Stück bricht sie den Beton mit ihrem schweren Gerät auf, während schaulustige Touristen und Passanten spontan die Fotoapparate zücken.


Karo Kollwitz „E. Handlung“

Marktplatz Weimar. Neben den gewohnten Ständen reiht sich eine Ersatzhandlung ein. Es werden selbstgesammelte Nüsse, Wurzeln oder getrocknete Hagebutten, schlicht regional Gefundenes, als Ware angeboten. Der Tausch gegen andere Gegenstände, Dinge und Aktionen ist Bedingung, die Strategie ist Geldvermeidung und materielle Kommunikation.


Cornelia Erdmann „augmented reality“

Von Zeit zu Zeit huschen Scheinwerferautos um die leere Kurve. Der Blick des Besuchers schweift aus dem gläsernen Dachgeschoß des Limona-Gebäudes über die nächtliche Kreuzung des Wielandplatzes. Aus dieser Perspektive wird die Szenerie realtime per webcam aufgenommen. Per streamer und beamer ist sie auf eine konkave Wandfläche, die mitten im Raum steht, projiziert. Die zeitliche Verzögerungen und die ruckhaften Bewegungsmuster der Liveübertragung vermitteln eine cinematografisch dichte Atmosphäre mit starken Unterschieden zum direkt Beobachtbaren. What is the reality?


Anemone „Berge versetzen“
Bagger Performance

Stadionvorplatz, 8 Uhr morgens: Eine mit einem Bauzaun abgesperrte Fläche. 30 Kubikmeter Sand werden mit Hilfe eines Baggers bewegt. Der Sandberg wird abgetragen, neue kleinere Sandberge entstehen. Wie in einer Choreographie zeichnen die Formationen ein Bild auf den Platz, verschwinden wieder und setzen sich zu neuen Formen zusammen.

Stadionvorplatz, 17 Uhr abends: Der Bauzaun ist abgebaut, der Sand wieder verladen, der Platz wurde gekehrt und liegt unverändert da. Ein spannender Arbeitstag findet sein Ende, viele Fragen ergeben sich aus diesem Arbeitsprozess: Mit viel Energie wurde – ohne tatsächlich praktischen Nutzen – ein nicht dauerhaftes Ergebnis erzielt. Ein Video entstand.

Seminar Christian Hasucha

„Public Interventions“
Workshop Winter Semester 2002/2003

Topic: „A Bestowal on the Local“

Situations are selected from different perspectives. I encounter an unfamiliar ambience for the first time and therefore perceive it otherwise than someone who goes by somewhere daily or lives in this place. The stranger has a sharper perception for the quirks of a situation, whereas the “locals” perceives every change right away.

Choose a manageable public situation. Develop an intervention there whereby that which is subtlety introduced elicits a response in context with the existing things, throws out questions and, furthermore, whereby its gradual or sudden entrance as well as its removal is designed intentionally. Develop parallel information strategies for different target groups.

Jutta Roßgotterer „Public Schooner“


Results:

Sylvie Boisseau „Metropolis Weimar“

Monitor boxes are installed in front of the glass elevator going down to the underground garage at Beethovenplatz and in front of the Sternbrücke (Stern Bridge). In regards to format, material and varnishing, they resemble the public ticket machines in the Weimar underground garages. On the monitor, which is exhibited underneath of the Sternbrücke, one sees different groups of people who emerge from underground via the elevators. On the other monitor on Beethovenplatz, one sees groups of people who march into the ornamental cavity formed by the columns of the Sternbrücke and disappear there.


Tricia Flanagan „O2 – CO2“

Breathing masks droop down from a widely spread out tree. Through transparent tubes, they are tied together with twigs. The intention is simple: this is the place where the leaves produce oxygen through the process of osmosis and photosynthesis.
At some distance away there stands another tree from whose branches earphones dangle. One puts them on and hears rhythmic, slow breathing noises. The work is to be understood as an offering, and this image understood as a metaphorical cycle, which is completed through participation.


Jörg Schreiber „Circle Border“

Small signs are installed on public street poles along an arbitrarily set circumference line that has a diameter of approximately one kilometer. The signs indicate the surface of the circle as well as its middle point. At the mid point of the circle, designated with a red point, a layout map is furnished in such a way that all explanations are deliberately evasive and do not make any potential territorial meaning accessible. The exemplariness of containment and exclusion, which are formed by the circle, is noticeable.


Daniel Guischard „You and the Others“

A clear, cube open on the topside is set up unmarked between an often-frequented path near the Goethe Garden House. Two passage openings located opposite each other invite one to walk across the meadow to discover the writing on the inside: „du und die anderen“ („you and the others“), causing them to linger a second longer. In the course of the next month, a clearly perceivable dirt trail will form here, and when the cube unexpectedly disappears again, its trappings will be overgrown, piece-by-piece, by early the next year.


Jutta Roßgotterer „Public Schooner“

Five streetlights on Windischenstrasse are draped close to the ground with artificial grass mats. The lamp schooners enter into dialog with the scanty weeds, which green the spaces between the cobblestones. In this way equal weight is re-established between excessive and neglectful allocation in comparison to the public product. Imitations can be found in the surrounding stores on Mondays (These will be sets with installation instructions).


Julaporn Buakaow „No, I can’t find them”

A sapling or a small bush grows in one of only seven right angled clearances which are located at distance of 20 meters from one another on the sidewalk of Trierstrasse. Every one of the other unplanted small ground surfaces flaunts a cement word.

Put together, these words form a puzzling sentence: “Nein, ich kann sie nicht finden.“ („No, I can’t find them”).


Beatrice Catanzano „Language Center"

The visitor finds himself before a closed door. The sign ”Sprachenzentrum“ (”Language Center“), which hangs on the door, reminds him of a classroom. In the vestibule, chairs are set up along the walls. Through the closed door the visitors can follow along with the “lesson” in the language center: It is made up of a cacophony of onomatopoetic animal sounds: a composition which is composed of the interpretation of animal noises in different languages.
Aside from the noise, concepts and reinterpretation of the space constitute two levels of meaning: a closed door with a sign allows the visitor to imagine the use and appearance of the space. The vestibule is reinterpreted as a waiting room solely because of the set up of the two rows of chairs.


Anna Kling „Breakup 3“

An elegant woman, cloaked in a green shimmery evening dress with a white mink bolero draped around her shoulders, works on a flat cement surface at Wielandplatz with a jackhammer. Piece by piece she breaks up the cement with her heavy equipment while tourists wanting to watch and passers-by spontaneously snap photos.


Karo Kollwitz „E.Handlung“

Marktplatz (Marketplace square) Weimar. Next to the usual stands, a substitute operation arranges itself. Nuts collected by the artist, herbs, dried haws and homespun found objects are offered as merchandise. The stipulation is the exchange of different objects, things and actions; the strategy is to avoid money and material communication.


Cornelia Erdmann „augmented reality“

From time to time, cars, casting illusions, scurry around empty curves. The visitor’s view stretches from the glass roof level of the Limona building out over the nighttime crossing of Wielandplatz. From this perspective, the scene is recorded in realtime via web cam.

Via streamer and beamer, it is projected on a concave wall surface which stands in the middle of the room. To direct observers, the chronological time lag and the backwards movement patterns of the live broadcast put across a cinematographically thick atmosphere with intense differences. What is the reality?


Anemone „Mountain Relocation“
Steam shovel performance

Stadionvorplatz (In front of the stadium). Eight o'clock in the morning: An area blocked off by a construction site fence. Thirty cubic meters of sand are moved by means of a steam shovel. The sand mountain is worn down and new, smaller sand mountains emerge. Just like a choreography, the formations draw a picture in the area, disappear again, and form themselves anew.
Stadionvorplatz, 17:00 in the evening: The contruction site fence has been removed. The sand has been loaded up again. The place has been swept and remains unchanged. An exciting work day comes to an end. Many questions arise from this work process; with much energy, a temporary result without any practical use is achieved.