Heldenfällen

Heldenfällen

Ein Hörspiel zum Thema Helden und Vorbilder.

Enstanden als Masterarbeit 2009.

Interviewpartner:Guido Buchwald, Schorsch Kamerun und Georg Schramm
Sprecherin: Eve Klotz
Kontrabass: Boris Nielsen

Buch & Regie & künstlerische Leitung: Christian Rottler
technische Leitung: Martin Hirsch

http://rottler.at/wort/heldenfallen

1.Preis der Mediengestaltung der Bauhausuniversität Weimar für das Hörspiel “Heldenfällen”(2009)

Hörprobe
Ausschnitt anhören

Jochen Meißner/Funkkorrospondenz

Ein Fußballer aus Wannweil in Schwaben, ein Musiker aus Timmendorfer
Strand, ein Schriftsteller aus dem österreichischen Gmunden und ein
Kabarettist aus Bad Homburg: Guido Buchwald, Schorsch Kamerun, Thomas
Bernhard und Georg Schramm - man kann im Lauf seines Lebens
schlechtere Vorbilder haben als Christian Rottler. Drei der vier
Männer konnte der Musiker und ausgebildete Mediengestalter für sein
Hörspielprojekt "Heldenfällen" interviewen; als Bernhard 1989 starb,
war Rottler gerade mal elf Jahre alt.

Eingerahmt durch die auf ein billiges Diktaphon aufgenommenen
Protokollnotizen einer Therapeutin (Eva Klotz), die den nie hörbaren
Autor/Klienten analysiert, ergibt sich aus den O-Tönen der Herren
Buchwald, Kamerun und Schramm ein Panorama der bundesdeutschen
Zeitgeschichte und zugleich ein Einblick in die Transformationen von
Gesellschaftsanalyse. Der ehemalige Nationalspieler Guido Buchwald,
nach dem eigenen Vater der erste Held der abwesenden Hauptfigur,
scheint einer zu sein, der in erster Linie mit dem Knie denkt,
während sich die Weltsichten Schorsch Kameruns und Georg Schramms
über die Jahrzehnte verändert haben. Obwohl die letzteren beiden eine
halbe Generation trennt (Schramm ist Jahrgang 1949, Kamerun Jahrgang
1963), ergeben sich überraschende biografische Übereinstimmungen.
Beide kommen aus den Randbereichen großbürgerlicher Kleinstädte, ihre
Väter taugten bestenfalls als Objekt von Hass oder Verachtung. Ihre
Sozialisation erfolgte in sozialdemokratischen bis linksradikalen
Kontexten, und beide müssen feststellen, dass die alten
Beschreibungsmuster nicht mehr für die Welt von heute taugen. Am
deutlichsten wird das in der Bewertung der RAF aus dem unmittelbaren
Miterleben in den 1970er Jahren und aus heutiger Sicht. Und
erstaunlicherweise akzeptieren heute beide eine Figur aus der Politik
als Vorbild: den Altliberalen Gerhart Baum. Im Jahr 2007 hielt der
bei der Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden an Schorsch
Kamerun im Bundesrat die Laudatio (vgl. FK 24/07). Er habe sich ja
über ihn informiert, sagte Baum dem Preisträger mit dem Image des
autonomen Staatsfeindes, und: "Sie müssen sich für das Foto ja nicht
neben den [Bundes-]Adler stellen."

Am Ende, so erfahren wir aus dem Diktaphon-Protokoll, bricht der
Klient die Therapie vorzeitig ab: Er fühle sich ausreichend
entlastet, um ein Leben ohne Helden zu führen, wolle aber wieder
anfangen, Fußball zu spielen und sich politisch zu engagieren.
Außerdem strebe er eine Karriere als Autor und Kabarettist an.
Therapieversagen auf der ganzen Linie also. Die ironische
Genauigkeit, mit der Christian Rottler den Psycho-Jargon inszeniert
hat, trägt einiges zum Hörvergnügen bei, das noch dadurch gesteigert
wird, dass man hier intelligenten Leuten beim Nachdenken über sich
selbst und die Zeit, in der sie leben, zuhören kann. "Heldenfällen"
ist ein sehr angenehmes kleines Stück eines Nachgeborenen über seine
Vorfahren, die einer Generation angehören, von der man sich nicht so
radikal abgrenzen muss wie diese von der ihrer Väter.
23.04.10 - Jochen Meißner/FK

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